Letztlich ein total verkorkstes Melodram

„Girl on the Train“ von Tate Taylor

von Renate Wagner

Girl on the Train
(USA – 2016)

Regie: Tate Taylor
Mit: Emily Blunt, Haley Bennett, Rebecca Ferguson, Justin Theroux, Luke Evans u.a.
 
Die Ausgangssituation ist „klassisch“: Ein Mensch beobachtet andere, und eines Tages bildet er sich ein, ein Verbrechen gesehen zu haben, ganz wie in Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“. Allerdings verläuft die Geschichte von Rachel, die mit unendlicher Traurigkeit im Vorstadtzug nach New York sitzt, anders. Und wer sich einen klaren, starken Krimi erhofft, wird bald in einen fast undurchsichtigen Strudel der Ereignisse gezogen, in dem die Menschen im Fokus und vor allem die Zeitebenen dauernd wechseln.
Basis für „Girl on the Train“ ist ein Kriminalroman von Paula Hawkins, der viele Leser gefunden haben soll. Kennt man ihn nicht, tut man sich mit Rachel ein bißchen schwer. Gut, sie ist Alkoholikerin, entsprechend verzweifelt, und Emily Blunt, die auch die strahlend schöne, junge Queen Victoria gespielt hat, aber auch eine toughe FBI-Agentin sein konnte („Sicario“), hat diesmal die Charakterrolle der Trinkerin, die vor unseren Augen quasi zerfällt – sehr traurig und sehr überzeugend.
Seit ihrer Scheidung von Tom, der nun mit Anna verheiratet ist, lebt sie bei einer Freundin, und weil sie nicht zugeben will, daß sie keinen Job mehr hat, fährt sie täglich mit dem Vorortzug in die Stadt. Dabei sieht sie das Haus von Tom, seiner neuen Frau Anna und deren Baby, aber auch von einem anderen Paar, Megan und Scott, die sie sich als ideale Liebende träumt.
Keine Frage, daß sie es nicht sind, und als Megan vermißt wird, gerät der Film in ein wirbelndes, schwer durchschaubares Krimi-Chaos: So, wie die Handlung „herumspringt“, hat man es nicht leicht, überall durchzusteigen. Die ehrliche Anteilnahme gilt Emily Blunt, die so bemitleidenswert dreinsieht und sich in ihrem Alkoholproblem offenbar genau so wenig wie in der Geschichte richtig auskennt, wie auch der des Buches unkundige Kinobesucher.
Daß die Damen Anna (Rebecca Ferguson) und Megan (Haley Bennett) sich in ihrer durchschnittlichen Blondheit so ähnlich sehen, hilft auch nicht wirklich. Wenn Rachel sich immer wieder in eine von ihnen so sehr hineinversetzt, daß sie gewissermaßen in deren Körper schlüpft – da bleibt in einer Art von Traum- und Irrational-Szenen vieles unklar…
Und als Rachel zu Megans Gatten (Luke Evans) geht, um ihm deren Ehebruch zu berichten, ist das eine falsche Spur, während sich die Handlung immer mehr auf ihren ungetreuen Exgatten Tom (Justin Theroux) zuspitzt. Und immer ist man bei Rachel, die sich wegen ihres oftmaligen Suffs im Grunde an nichts Genaues erinnert…
 
Am Ende muß man einen häßlichen Mord mitansehen, eigentlich zwei, aber der letztere ist nicht ganz so schlimm, weil er den richtigen trifft, und dann weiß man langsam auch, worum es in dem von Tate Taylor inszenierten Streifen gegangen ist – und wie unendlich fies Männer sein können.
Dennoch, man hat ja doch einfach einen spannenden Krimi erhofft und kriegt letztlich ein total verkorkstes Melodram.
 
Trailer   
 
Renate Wagner