Ironie, Action und stupende Special Effects

„Doctor Strange“ von Scott Derrickson

von Renate Wagner

Doctor Strange
(USA - 2016)

Regie: Scott Derrickson
Mit: Benedict Cumberbatch, Tilda Swinton, Rachel McAdams, Mads Mikkelsen, Benedict Wong u.a.
 
Wieder ein Marvel-Held auf der Leinwand, wer wunderte sich noch darüber angesichts von Hollywoods Einfallslosigkeit? Dieser Film ist allerdings einfallsreicher, als man es gewohnt ist, und weit luxuriöser besetzt. Wann hätte man schon einen Theaterstar und Spitzendarsteller wie Benedict Cumberbatch in einem Produkt dieser Art gesehen? Manchmal fragt man sich schon, ob er sich nicht hoffnungslos blöde vorkommt in dieser Rolle, und Ironie blinzelt manchmal minimalistisch aus seinen Zügen, aber auch die Regie hat Ironie eingebaut – wohltuend also, das kann sich auch ein Filmfreund mit höheren Ansprüchen geben, der üblicherweise keinen Fuß in eine Comic-Verfilmung setzen würde.
 
Dr. Strange ist nicht wirklich seltsam, so hoch begabte, hoch überhebliche Schnösel gibt es sicher auch in der Realität. Dieser ist Chirurg, fummelt in Gehirnen, nur die höchsten Herausforderungen bitte! Ist Wundermann in der Klinik, von allen umschwärmt. Daß eine Schauspielerin vom Potential einer Rachel McAdams sich für eine Rolle verkleinern ließ, wo sie als Ärztin-Kollegin und nicht wirklich Freundin des Helden nur bewundernd und helfend für ihren Doktor da ist, vor welche esoterischen Rätsel er sie auch stellt – nun ja, dafür ist man mit Garantie in einem dicken Blockbuster drin (was ja auch für einen Cumberbatch eine Überlegung wert gewesen sein mag).
Wenn der Wunderdoktor einen Autounfall erleidet, dann im Grunde wohl verdient, denn man kann einfach nicht gleichzeitig eine kurvenreiche Straße fahren und auf sein Phone-Display schauen – nicht einmal er. Das einzige, was ihm beim Genesungsprozess Sorgen macht, sind seine kostbaren Hände. Und die sind kaputt. Das heißt: Auftritt der Magie. Dr. Strange ist nicht der erste, der Hilfe im Himalaya sucht. Ein paar schöne Aufnahmen von Kathmandu, ein bißchen Exotik tut immer gut.
 
Der Herr des Tempels ist eine glatzköpfig Dame – auch Tilda Swinton exekutiert ihre magischen Künste, die sie Strange nach und nach lehrt, mit einem kleinen Lächeln. Besonders witzig, wie er ihr anfangs Widerstand leistet und alles Irrationale für Humburg erklärt. Bis er eines Besseren belehrt wird… Spezielle Fähigkeit der beiden: Sie können als (gut sichtbare) Aura aus ihren Körpern gehen, durch die Lüfte schweben und natürlich, wo nötig, die Bösewichte bekämpfen. Die braucht man, sonst gibt es keine Handlung.
Und Widersacher Mads Mikkelsen kann noch etwas viel Spannenderes: Er „faltet“ Gebäude, ja, ganze Häuserzeilen, mehr noch, Stadtteile. Schwer zu begreifen (und zu schildern), aber stupend anzusehen, das sind Special Effects, wie man sie nicht alle Tage geboten bekommt und die einem schon den Mund offen stehen lassen (ein bißchen erinnert diese „umgedrehte“ Welt, wo dann seitlich und kopfüber herumgelaufen wird, an den „Inception“-Film von Christopher Nolan, aber hier ist vieles noch irrer). 
 
Regisseur Scott Derrickson weiß sehr gut, was er in so einen Film, der dann auch an die zwei Stunden dauert, alles hineinmixen muß – erstaunliche „Wunder“ und erstaunte Menschen, Humor – dafür sorgt vor allem ein bulliger Asiate namens Wong (Benedict Wong), Meister der Bücher -, alte Schriftrollen natürlich, aber Computer („Wir sind keine Wilden“) und Headsets für modernen Pop gibt es natürlich auch. Der „alte Meister“ sagt ein paar tiefe Wahrheiten, gegen deren Einsichten nichts zu sagen ist, so daß der Kinobesucher auch noch das gute Gefühl hat, er bekommt etwas Lebensweisheit auf den Weg mit.
Am Ende flattert unser Dr. Strange wie eine Mischung von Batman und Superman über die Welt und auch noch hinaus in die Sphären, wo er eine Allmacht hübsch erpreßt… wie gesagt, Ironie ist die Wohltat des Ganzen. Und der Nachspann verspricht auch noch Komisches: Da sitzen Strange und Thor zusammen und unterhalten sich über Loki… ist das wieder einmal die Ankündigung eines gemeinsamen Unternehmens von Marvel-Helden? Wobei die Filme, in denen alle zusammen gemixt sind, jenen mit Einzelhelden auf jeden Fall unterlegen sind, wie Dr. Strange zeigt – Cumberbatch allein ist leinwandfüllend, man würde gar nicht wollen, daß Captain America ihm über den Weg läuft…
 
 
Renate Wagner