Der Expressionistische Impuls
Meisterwerke aus Wuppertals großen Privatsammlungen
Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum zeigt bis zum 18. Mai eine einzigartige Schau von bisher und wohl auch künftig unzugänglichen Meisterwerken des Expressionismus
Der bisher erfolgreichsten Ausstellung des Wuppertaler Von der Heydt-Museums, der von annähernd 100.000 Menschen besuchten Renoir-Ausstellung, läßt Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh unter
Karl Schmitt-Rottluff - Selbstportrait
Foto © Frank Becker |
dem Titel „Der Expressionistische Impuls- Meisterwerke aus großen Wuppertaler Privatsammlungen“ einen zweiten Paukenschlag folgen: die Präsentation von weit über 200 Gemälden und Graphiken des Expressionismus aus Privatsammlungen des Elberfelder und Barmer Großbürgertums der vorigen Jahrhundertwende – für diese Präsentation zu rund 80 % zusammengetragen aus aktuellem Privatbesitz.
Eine Blütenlese
Das Wuppertaler Kunstmuseum verfügt selbst über einen beachtlich großen Bestand an hervorragenden expressionistischen Bildern, die in der einzigartigen Zusammenstellung mit den nun geliehenen Stücken aus Privatbesitz eine sensationelle Schau ergeben, eine, wie sie so wohl nie
Erich Heckel - Aus Moritzburg
Foto © Frank Becker |
wieder zustande kommen wird. Dr. Antje Birthälmer, stellvertretende Direktorin der städtischen Sammlung und Kuratorin der Ausstellung, hat ein Jahr lang recherchiert und verhandelt, um diese Bilder und Graphiken zeigen zu können. Sie ist sicher: „Viele Leihgeber haben sich nur unter Schmerzen von ihren Schätzen getrennt – und werden es wohl nicht noch einmal tun wollen“. Es ist also jeder Kunstfreund gut beraten, sich anzuschauen, was ab dem 24. Februar in der Wechselausstellung des Von der Heyt-Museums zu sehen sein wird.
„Es ist“, so Dr. Finck „eine Blütenlese des Expressionismus“. Man muß ihm vorbehaltlos zustimmen, auch was den üppigen Katalog angeht, der durch die Sorgfalt seiner Beiträge in Wort, Bild und Künstler-Biographien ein „Kompendium des Expressionismus“ geworden ist. Ich erlaube mir die saloppe Bemerkung: Wer den nicht kauft (für beinahe lächerliche 25,- Euro), ist selber schuld.
Sammlergeschichte(n)
Was wird gezeigt und welchen Blick öffnet die Ausstellung? Allein die Zahl der zusammengebrachten
Otto Mueller - Sitzendes Mädchen
Foto © Frank Becker |
Exponate – mehr als 200 – ist es wert, noch einmal erwähnt zu werden. Nur annähernd kann man erahnen, welch akribische detektivische Recherche seitens Antje Birthälmer dem vorausgegangen ist. Aus den früheren Sammlungen von u.a. Richart Reiche, Gottlieb Friedrich Reber, Friedrich Fries, Julius Schmits, Carl Ferdinand Holzrichter, Carl Neumann, Rudolf Ibach, Klaus Gebhard, Ferdinand Ziersch, Rolf und Lotte Frowein, Karl Julius Anselmino, Fänn und Willy Schniewind – und nicht zuletzt August von der Heydt hat sie die jetzigen Besitzer (einiges ist ja glücklicherweise durch Schenkungen in den Museumsbestand übergegangen) ermittelt, diese in zähen Verhandlungen vom Sinn der Leihgabe überzeugen und Bilder zusammenbringen können, die zum Teil seit Jahrzehnten unzugänglich waren. Viele werden es nach der Wuppertaler Ausstellung auch wieder sein.
Paul Klee - Figur in Gelb
Foto © Frank Becker |
Überwältigend
Überwältigend ist die Fülle der Bilder aus dem Kreis der „Brücke“-Künstler (mit Otto Mueller, Max Pechstein, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmitt-Rottluff), des „Blauen Reiter“ und der „Neuen Künstlervereinigung München“ (mit Franz Marc, August Macke, Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Wladimir Bechtejeff und Adolf Erbslöh), der Bilder von Paul Klee, Max Beckmann, Ludwig Meidner, Christian Rohlfs, Paula Modersohn-Becker, Otto Dix und Emil Nolde. Sogar Paul Signac hat den Weg in die Ausstellung gefunden, dazu Bilder von Édouard Manet, Gustave Courbet, Paul Cézanne, Alfred Sisley und Vincent van Gogh – Bindeglieder vom Impressionismus zur deutsch dominierten Revolution des Expressionismus. Der Durchgang ist ein Bad in Farben, ein einziges, beglückendes Schwelgen.
Überraschungen und Wiederentdeckungen
Zu den großen Überraschungen zählt ohne Frage die Begegnung mit Adolf Erbslöhs
Adolf Erbsöh - Der rote Rock
Foto © Frank Becker |
ausdrucksstarkem Bild „Der rote Rock“ aus der Sammlung Charlotte Mittelsten Scheidt, das sich im „Blauer Reiter“-Saal zu seinem Pendant „Mädchen mit rotem Rock“ aus dem Wuppertaler Museumsbestand gesellt. Doch auch Otto Muellers „Sitzendes Mädchen“ und August Mackes Bleistiftportrait von Franz Marc aus der Sammlung Stangl, Max Beckmanns „Der Kaiserdamm“, Paul Klees „Figur in Gelb“, Alexej von Jawlenskys beeindruckender „Asconeser Kopf Nr. 10“ und Karl Schmitt-Rottluffs „Selbstbildnis“ aus der Sammlung Ziersch sind atemberaubende Wiederentdeckungen.
Katalog ein Kompendium des Expressionismus
Der hochwertige Katalog mit Beiträgen von u.a. Dr. Herbert Pogt, Stefan Koldehoff, Dr. Beate Eickhoff, Dr. Antje Birthälmer, Dr. Gerhard Finckh und vielen anderen mehr schreibt zum einen Museumsgeschichte, zum anderen die Geschichte des erstaunlich weitsichtigen Kunstverständnisses einer großbürgerlichen Gesellschaft der Städte Barmen und Elberfeld im Tal der Wupper an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die mit vielen historischen Fotos illustrierten Aufsätze, die von Sammelwut, Kunstverständnis, Nazi-Dummheit und Kriegszerstörung berichten, die Portraits der Sammler und Künstler eröffnen intime und vor allem neue Einblicke in diese aufregende Kunst-Epoche. Ein Muß.
Max Beckmann - Kaiserdamm - Foto © Frank Becker |
Am kommenden Sonntag, dem 24. Februar 2008, wird die opulente Ausstellung mit einem umfang- und abwechslungsreichen Programm eröffnet – nicht im Museum, sondern in der nur wenige Schritte entfernten Glashalle der Stadtsparkasse Wuppertal. Womit wieder die Brücke zwischen der Kunst und dem finanzstarken Großbürgertum geschlagen ist. Nach Ansprachen von Peter H. Vaupel (Sparkasse), Peter Jung (Oberbürgermeister), Dr. Gerhard Finckh und einer Einführung durch Dr. Antje Birthälmer gibt es dort Musik, ein Kinderprogramm und eine Lesung expressionistischer Lyrik und themenbezogener Texte durch den Schauspieler Andreas Möckel. Das Museum ist am Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Weitere Informationen unter: www.von-der-heydt-museum.de
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