Weiß man, was es zu bedeuten hat?

„Die Geträumten“ von Ruth Beckermann

von Renate Wagner

Die Geträumten
(Österreich 2016)

Produktion, Drehbuch und Regie: Ruth Beckermann
Mit: Anja Plaschg, Laurence Rupp
 
Die Nachwelt ist neugierig, bildet sich ein, ein Recht auf das Privatleben „seiner“ Künstler zu haben. Je „sphinxischer“ sich diese geben, umso genauer will man es wissen. Die zahlreichen Liebesbeziehungen der Ingeborg Bachmann (geboren 1926 in Klagenfurt, gestorben 1973 in Rom) haben es ihren Fans besonders angetan und sind auch schon sorglich dokumentiert worden, teils von Biographen, Herausgebern, Interpreten (oder gar den Beteiligten, die wie Max Frisch einen Schlüsselroman schrieben). Auch die besonders seltsame Beziehung, die die Bachmann mit Paul Celan (geboren 1920 in Czernowitz, gestorben 1970 in Paris) verband und zu der Briefe aus den Jahren 1948 bis 1961 vorliegen, sind bekannt. Dichterbriefe, kryptisch, verklausuliert, schwer auf Fakten abzuklopfen.
 
Die Frage, wie man eine solche Beziehung auf der Filmleinwand darstellt, wenn man es denn unbedingt tun muß, ist schwer zu beantworten. Ruth Beckermann ist eine hoch geachtete Filmemacherin, deren Zugang man sich genau ansieht, bevor man dann doch zu dem Schluß kommt, daß er letztenendes filmisch absolut nicht befriedigt. Denn was tut sie, läßt sie tun?
Zwei junge Schauspieler, als solche ausgewiesen, sollen nicht Bachmann und Celan sein, sondern zwei junge Schauspieler, die in einem Aufnahmestudio die Briefe der beiden lesen. Wobei die Kamera auf ihren Gesichtern ruht. Anja Plaschg, eigentlich Musikerin und als solche unter dem Namen Soap&Skin bekannt (wenn man sich in dieser Szene auskennt), ist per Frisur ein wenig der Bachmann ähnlich gemacht worden. Wie weit Laurence Rupp, den man aus dem Burgtheater und aus Hartmanns „Räubern“ kennt, Paul Celan optisch ähnlich ist, sei dahingestellt, aber das ist ja wohl nicht die Intention.
Ruth Beckermann geht davon aus, daß man dem Text der ausgewählten Briefe so fasziniert zuhört, daß man dafür eineinhalb Stunden in die Gesichter von zwei Schauspielern blickt, die lesen, nicht spielen. Und nur in ganz kurzen Passagen „sie selbst“ sein dürfen, rauchend in einer Aufnahmepause, über Dinge redend, die kaum Zusammenhang mit Bachmann / Celan haben, auch nicht wirklich verständlich sind.
Man hört also von einer Beziehung, einer Liebe, die mit wenig persönlicher Begegnung gesegnet war, neben der es immer andere Bezugspersonen gab, wo Mißverständnisse alltäglich waren und Beteuerungen der Zusammengehörigkeit desgleichen. Man soll Bewunderung empfinden über so viel in Briefe getragenes Dichterleben und wird letztlich nur ungeduldig. Wer nicht „vorgebildet“ in den Film kommt, also von den beiden zumindest Werke und Umrisse der Biographien kennt, läuft vermutlich Gefahr, gar nichts mit dem Gebotenen anfangen zu können.
 
Am Ende versucht der Text im (geschriebenen) Nachspann Celans Selbstmord 1970 in Paris und den Unfalltod der Bachmann 1973 in Rom gewissermaßen in Zusammenhang zu bringen. Aber diese tragischen Abschiede hatten nichts miteinander zu tun. Wie viel man von „Die Geträumten“ mitnimmt – das kann nur an der Bereitwilligkeit der Betrachter liegen. Am Ende ist der Film bei vorgetäuschter Schlichtheit so verklausuliert wie die Briefe, die er vorlesen läßt. Weiß man, was es zu bedeuten hat?
 
 
Renate Wagner