Brubeck, Bach und Baku

Aziza Mustafa-Zadeh stellte im Wuppertaler Rex-Theater ihr neues Programm und die CD "contrasts" vor

von Frank Becker

Foto: Agentur Bremme-Hohensee.de

Would you like Pergolesi?

Vor fast genau acht Jahren, am 19. Februar 1999, gastierte die aserbeidschanische Pianistin Aziza Mustafa-Zadeh zuletzt im Wuppertaler Rex-Theater - damals wie heute vor ausverkauftem Haus. Mit einem hinreißenden Konzert stellte sie gestern ihr neues Album "contrasts" nebst einigen Standards aus ihren bisherigen Programmen vor. Der Charme von damals ist nicht verblaßt, die künstlerische Perfektion eher noch solider geworden.
Daß die Natur und die Sorge um deren Bestand zentrale Bedeutung in ihrem Werk einnimmt, machte die schlanke und fast durchscheinend wirkende Frau in ihrer Moderation mehrfach deutlich. Folgerichtig eröffnete sie den Abend mit ihrer Komposition "Singing Nature", wuchtig und mit kraftvollem Anschlag auf dem hervorragend gestimmten Bösendorfer-Flügel des "Rex". Der Kontrast ist augenfällig: zart und zerbrechlich in der Erscheinung und mit warmer, voller Stimme explosiv in der Performance hat Aziza Mustafa-Zadeh ungeheures Potential, das sich wie magisch auf ein zunehmend begeistertes Publikum überträgt.

Charmant übrigens auch die Conférence der attraktiven Pianistin aus dem Land zwischen Arax und Kura, Kaukasus und Kaspischem Meer mit den auffallend schönen Füßen in goldenen Sandaletten, die sympathisch deutsch-englisch radebrechend ihre Gefühle, Motive und musikalischen Neigungen vorstellte. "Nightlife in Georgien", "Stars Dance", Verneigung vor dem großen J.S. Bach mit "Bachuana" und nicht ohne Dramatik eine zärtliche Umarmung Chopins in "Last Day Of Chopin" - Aziza Mustafa-Zadeh spielt entrückt und entfesselt, zugleich mit sensibler Kenntnis der Vorbilder. Mozart, Pergolesi, Bach, Händel: "I love Herr Händel von ganzem Herz, natürlich! Er ist auch ein Jazzer - Gothic-Jazz. Gibt´s das nicht? Jetzt gibt´s das!" - und immer wieder Zitate von Ward Swingle und Keith Jarrett, vor allem aber Jacques Loussier und Dave Brubeck, dessen "Blue Rondo á la Turk" ganz offensichtlich zentrale Bedeutung in ihrem Werk, ihrer Rezeption einnimmt. Swingend wie "Play Bach" kommt ihr Titelsong "contrasts", wieder mit frappierenden Brubeck-Zitaten und leicht, gläsern, verträumt und von orientalischen Schleiern umweht "Dreaming Sheherezadeh(!)" - da tanzt die Nachtigall auf den Tasten.

85 Minuten ohne Pause sind eine hohe Anforderung an die Kondition der Künstlerin, doch sie bewältigt
das mit Grandezza und Bravour. Dazu kommt eine beachtliche Gesangsleistung, denn die geschulte Sopranistin präsentiert von Pergolesi bis Mozart mit kraftvoller Stimme von hoher Strahlkraft bis fast ans hohe C Arien u.a. aus der "Zauberflöte". Unbekümmert greift Aziza Mustafa-Zadeh in den großen Vorrat klassischer Musik und verzaubert damit ihr andächtig lauschendes Publikum. "Jazz und Klassik können nicht ohne einander. Ich jedenfalls kann nicht...." konstatiert sie und spielt beflügelt ihre häufig mit barocken Elementen angereicherten Stücke. Daß sie dabei swingt wie der große Meister des Genres Jacques Loussier, allerdings ohne dessen Trio-Begleitung auskommt, kann als weiteres Kompliment gewertet werden. Als sie vom Flügel zu einem fast zehnminütigen Intermezzo zu einer kleinen Schamanentrommel und artistischem Scat wechselt, um das Teufelchen auszutreiben, das in uns allen stecke, bevor es zum Monster werden kann, wie sie sagt, liegt ihr das Publikum zu Füßen. Mit "Cappuccino Tiramisu", einem parodistischen Wirbel auf Tasten und Stimmbändern und einem aserbeidschanischen Nachschlag beendete die außergewöhnliche, sympathische Künstlerin diesen die Grenzen der "normalen" Performance überschreitenden Solo-Abend voller Klangkaskaden, perlender Läufe und virtuoser Gesangspassagen fulminant.


Weitere Informationen unter:
www.azizamustafazadeh.de