Großartiger „Peer Gynt“

Henrik Ibsens „Peer Gynt“ am Theater an der Ruhr

von Andreas Rehnolt

Großartiger „Peer Gynt“
als Zwei-Personen-Stück im Theater an der Ruhr
 
Roberto Ciulli und Maria Neumann schlüpfen
in zehn unterschiedliche Figuren des Ibsen-Dramas
 


Regie, Raum und Dramaturgie:
Roberto Ciulli und Maria Neumann - Kostüm: Heinke Stork -  Licht: Thorsten Scholz - Ton: Fritz Dumcius - Fotos: Joachim Schmitz
  -  Mit: Maria Neumann und Roberto Ciulli.
 
Einmal mehr erlebten Theaterfans am 19. Januar am Theater an der Ruhr in Mülheim einen grandiosen Premierenabend unter der Regie von Altmeister Roberto Ciulli, der gemeinsam mit Maria Neumann Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ auch personifizierte. Großartige und verzaubernde 95 Minuten gabs im Theater im Raffelbergpark zu erleben. Dabei kam die Inszenierung ohne viel Bühnenbild und Requisite und ganz ohne Kostüm-Wandlung der beiden Mimen aus.


Foto © Joachim Schmitz
 
Ibsens Dramengedicht, das an großen Häusern mitunter im Bühnenbild unterzugehen scheint und manchmal 20 und mehr Personen auf die Bühne bringt, wird hier in faszinierender Unaufgeregtheit von nur zwei Darstellern auf das Wesentliche zusammengeführt. Zu Beginn sitzen sich Maria Neumann und Roberto Ciulli im schwarzen Anzug und weißem Hemd an einem kleinen Tisch gegenüber. Sie scheinen eingeschlafen zu sein und man erlebt ihr Wachwerden als Start in einen Mutter-Sohn-Tag, der es sofort in sich hat.
Ibsen erzählt die Geschichte des Lügners und Außenseiters, Querdenkers und Draufgängers, aber auch absoluten Egoisten und Versagers Peer Gynt als Odyssee des modernen Menschen. „Du lügst. Du bis ein Großmaul und bringst mich noch ins Grab.“, wirft Ciulli als Mutter Aase ihrem Peer vor. Worauf dieser der Mutter vorhält, sie sei die „Tochter eines Bekloppten“ gewesen. Unmittelbar darauf erzählt sie ihm von der Hochzeit auf einem reichen Nachbarshof. Und wieder ein Rollentausch. Jetzt ist Ciulli Peer und Neumann die Braut, die er am Hochzeitstag noch entführt und schändet.
Bei seiner Flucht in die Berge heiratet Peer in einer Mischung aus Wahn, Ekel, Begierde, Langeweile und Gleichgültigkeit die Trolltochter. Um sie gleich nach der Geburt eines Balgs zu verlassen und weiter zu fliehen. Diesmal nach Amerika, um dort viel Geld mit Sklavenhandel zu verdienen. All das wird quasi aus der Erinnerung zwischen einem kleinen Tisch, einem Schrank und einem Bett erzählt und gespielt. Grauslich-schön, wie Neumann als Trolltochter ihn in Gestalt einer Striptease-Tänzerin und zu Leonard Cohens Song „Dance me to the end of love“ vergeblich zu halten versucht.


Foto © Joachim Schmitz
 
Auch die Amerika-Reise bringt Peer nicht zu sich selbst. Man bestiehlt ihn, und er denkt über sein verwerfliches Handeln mit den Worten aus dem Matthäus-Evangelium nach „Was hülfe es, wenn man die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Die Reise zurück tritt er auf dem Tisch-Schiff an.
Der Sturm zerfetzt das von Neumann als Segel gehaltene Bett-Tuch, das Boot schlägt leck und geht gefaltetes Papier-Schiffchen in Flammen auf. Nun ist das Bett das Rettungsboot, auf das sich Ciulli als Peer retten kann. Grandios der Zweikampf mit Neumann als weiterem Passagier, der sich aufs Bötchen retten will und doch aus Todesangst von Ciulli unter Wasser gedrückt und getötet wird.
Es folgt die Szene mit dem Tod, die Häutung der Zwiebel, der Tod der Mutter, die er noch einmal auf eine erfundene Reise auf ein erdachtes Schloß mitnimmt und die er dann sterbend auf den Tisch bettet. Am Ende bleibt als Erkenntnis: „Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muß man es vorwärts“. (Søren Kierkegaard). Am Ende gab es verdienten und begeisterten Applaus im vollbesetzten Theatersaal für rund 95 Minuten pausenloser beeindruckender Schauspielkunst und die Spielfreude eines traumhaften Duos. 


Foto © Joachim Schmitz

Weitere Informationen und Termine
: www.theater-an-der-ruhr.de
 
Redaktion: Frank Becker