Nein, gern auch zu zweit

„Doch lieber Single?!“ - Ein musikalischer Theaterabend von Amina Gusner

von Martin Hagemeyer

Foto: Veranstalter

Nein, gern auch zu zweit
 
„Doch lieber Single?!“ Ein musikalischer Theaterabend
von Amina Gusner, Mitarbeit: Rüdiger Rudolph
 
„Doch lieber Single?!“ rät zur Liebe – mit Musik und nicht zu schrill
 
Regie: Amina Gusner – Musikalische Leitung und Einstudiertung: Andreas Peschel – Arrangements: Christian Kullack – Bühne: Johannes Zacher – Kostüme: Inken Gusner – Choreographie: Marie-Christin Zeisset – Regieassistenz: Johanna Möhring
Besetzung: Dr. Rüdiger Leid, Therapeut: Rüdiger Rudolph – Wolfgang, Patient: Heiko Senst – Vera, sine Frau: Heike Trinker – Gabi, Patientin – Vanessa Rose (Alternativbesetzungen: Anne Keßler / Alice von Lindenau) – Frank, ihr Mann: Maximilian Nowka – Gitarrist: Raphael Beil – Pianist: Andreas Peschel.
 
Ein paar Tage vor dem Valentinstag lud  Remscheids Teo Otto Theater zum Gastspiel „Doch lieber Single?!“ des „Theaters im Rathaus Essen“. Ob man da auf erhöhte Paarfrequenz im Publikum spekuliert hat oder nicht – gepaßt hätte es jedenfalls: Zu genießen gab es ein heiteres Bekenntnis zur trauten Zweisamkeit, das zudem manche Klippe zur Klamotte souverän unschiffte.
Regisseurin Amina Gusner hat das Stück auch geschrieben und die Tanztherapie als komödiantischen Stoff entdeckt. Zwei Paare in der Krise, zugespitzte Typen, dazu ein exaltierter Therapeut mit gesundem Ego: Derlei driftet sonst schnell ab zur Parade aus Zerrbildern, die ihr Heil nur noch im Zuviel sucht.
 
Versammelt im Praxisraum sind zunächst Therapeut Leid, der Freud überschätzt findet, und bald zwei Herren, die sich nach Betreten der Praxis schnell in der Ecke einrichten und sich als die Musiker des Abends erweisen. Denn ja, der halbe Abend ist Musik, mit Klassikern zum Thema aller Themen; Musical will man trotzdem nicht sein. Eben wie auch keine schrille Freakshow – obwohl die dann Eintreffenden das hergäben und es anderswo auch müßten. Denn Weichei – Emanze – Macho-Macher – Eso-Tante, wie die vier Patienten sich knapp benennen ließen: Derlei Personal schreit sonst nach Schenkelklopfer.
Hier bleibt das maßvoll, kommen Menschen zum Zug, und „trotzdem“ ist es ziemlich spaßig. Ja, Vera macht Yoga, aber bei Heike Trinker entzieht sie sich der Schublade und legt etwa bei „Love will tear us apart“ von Joy Division komplett glaubwürdige Rock-Emotion aufs Parkett. Ja, Gabi bevormundet ihren Frank und neigt nicht eben zur Empathie – aber sie steht dazu: „Es stimmt, ich bin ein kalter Frosch! Aber dann gibt's zu Hause auch keine Fliegen“, sagt heute Vanessa Rose und schleckt Zweifel witzig weg. Aber man darf auch mit Frank fühlen, dem Allesversteher, der bei Maximilian Nowka trotzdem nicht blöd auf Öko getrimmt ist. Und Veras Mann Wolfgang kokettiert als Fluglotse zwar etwas mit Techniker-Kühle, zeigt sich bei Heiko Senst aber schnell als Kerl der sensiblen Art und rührt schon mit Minas/Celentanos „Parole Parole“ als echter Charakter.
Und der Therapeut? Rüdiger Rudolph spielt Dr. Rüdiger Leid, den alle Rüdiger nennen sollen, und da er auch noch das Stück mitgeschrieben hat, wird er die ganze Produktion gehörig mitbestimmt haben. Seine Figur ist da ambivalenter, sein Moderieren im Patientengespräch ähnlich uneindeutig wie die anderen Rollen. „Ich spüre jetzt hier im Raum Betroffenheit“, sagt er einmal, und so reden auch Klischee-Psychologen. Aber dieser hier liegt dabei auf dem Boden und reckt das Bein durchblutungsfördernd in die Senkrechte. Das ist zu komisch, um Klischee zu sein – diesem Mann können die Paare vertrauen.
 
Inhaltlich gibt „Doch lieber Single?!“  weniger eine Geschichte als eine Situation: Menschen, die sich treffen und auf die Sitzungs-Aufgaben (mehr oder minder) einlassen. Das läuft nicht immer Schritt mit dem Musikprogramm, zwar souverän gespielt von Raphael Beil und Andreas Peschel (Gitarre / Piano): So gern man die kunterbunten Titel von James Brown bis Rainald Grebe im Gesang der fünf hört, so mäßig sind manche motiviert. Fast gegen Ende dichtet das Stück Frank noch ein Kindheitstrauma an, damit er Westernhagens „Dicke“ singen kann. Macht aber gar nichts: Ein Hit wie „Everybody Needs somebody to Love“ als gemeinsamer Schlußsong ist so naheliegend wie einleuchtend und beendet schwungvoll ein Vergnügen rund um moderne Beziehungen. Versöhnlich insgesamt und eher wohlwollend als überdreht – und daher für glückliche Paare sicher besser geeignet als für Frauenhasser oder fürs derbe Ablachen beim Mädelsabend.
 
Uraufführung am 27. August 2014 im Theater im Rathaus Essen.