Luzerner Kulturbrief

Nachrichten aus dem musikalischen und literarischen Untergrund

von Max Christian Graeff

Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Freunde, geliebte Luftschlangen und Präsidentenperücken,
 
die Aufmerksameren unter Ihnen und Euch werden jetzt empört aufheulen (wie man das heute so tut): Diese Überschrift gab es doch schon einmal! Sollen wir sie denn jetzt abermals glauben? Gopfriedstutz – haben wir jetzt nicht mal mehr Geld für neue Headlines? Danke, Merkel, Köppel, Donald, Erdogan, Rasputin!
            Ja, richtig, der Rundbrief vor auf den Tag genau zwei Jahren eröffnete genau so, und dies rückblickend aus gutem Grund. Wie gerne würden manche von uns manches zwischendurch Gemachte noch einmal machen können: Abstimmungen, Toasterkäufe, Liebesnächte, Wahlen… Aber es ist so, wie es der neueste große Dicktator bei seiner Inauguration gesagt hat: «There is no reset button!» Unser aktuelles Maximaltalent besteht wohl darin, regionale wie globale Situationen total zu vergeigen, wider jegliches Wissen und zuckender Restvernunft. Ja, und nun?
 
Nun ja, also, dies ist schließlich Kulturreklame, und diese kann als solche wenig Lösungen bieten, nur Ablenkungen, Zerstreuungen und Umwege. Und vielleicht ein wenig Erinnerung an die einstige Hoffnung, daß es erst vorbei ist, wenn es vorbei ist.     
             Und kommt gefälligst zu den Shows! Das Sofa als solches ist derzeit zwar das absolute Konjunkturprodukt, aber das heißt ja nicht, daß Ihr drauf sitzenbleiben müßt.
 
Also: Kopf hoch, was immer auch passiert!
Herzlich, Christian
 
Samstag, den 11. Februar, Industriestrasse 9, Luzern
DIE MORLOCKS  –  REFLUX
Tür und Bar: 21 Uhr. Konzert: 21.50 Uhr
Eintritt 10 Sfr
Eine Veranstaltung von Anton Musik, Luzern

Schon bald, nachdem wir im Februar 2006 die Morlocks gründeten, um im August ein einziges Konzert für das Marinemuseum Luzern zu geben, stellten wir uns vor, wie Silvio „Bam Bam“ Britschgi in einigen Jahren durch die Lande fährt, bei uns Sturm klingelt und uns mit dem legendären Satz «Wir müssen die Band wieder zusammenbringen!» von zeternden Ehegatten und dampfenden Herden (und Sofas!) wegzerrt…
            Vor genau zwei Jahren und nach fast 60 wilden und Nacht für Nacht noch in den Knochen sitzenden Konzerten mit «Shanties for the ugly ones» lösten wir uns endlich auf. Die Welt war allzu häßlich geworden und wir zogen uns in die eigenen Höhlen zurück. Unsere Bandkinder waren inzwischen erwachsen und hatten – völlig zu Recht – die Nase etwas voll von Sauvagerock, Confusion und Grannypunk. Unser legendäres Doppelalbum verkaufte sich wie erwartet erfolgreich schleppend. Besetzte Häuser und Wagenplätze waren selten geworden, und auch die wunderbaren kleinen Open-Air-Festivals, bei denen wir – im strömenden Regen, bis zu den Knien in Schafsscheiße steckend – vor jeweils einer Handvoll liebenswerter Gestalten spielten, fanden kaum noch statt. Und auch die Galas der Älteren, zu 80. Geburtstagen und so, wurden rar. So feierten wir also noch ein sehr belebendes letztes Doppelkonzert im legendären Magdi und versanken im Staub der Lokalmusikgeschichte.
            Aber kein Band-Ende ohne Reunion! Vor allem unser geliebter Gitarrist, Chefrhythmiker und Freund Roger, der während unserer wilden Jahre schon mit allen denkbaren Chemos und Katheterbeuteln (und ohne Hirnschale!) auf der Bühne gestanden hatte, drängte darauf, nun noch ein Mal mit uns zu spielen. Und so sollte es sein! – Nein, so soll es nun doch nicht sein. Es gibt jemanden, der etwas dagegen hat. Er zupft sich viel zu früh schon den Umhang zurecht, klopft demnächst an und fragt nach der Zeit.
 
Wir könnten heulen, und wir tun dies auf Morlocks-Art: Ohne Roger, aber für ihn und mit euch allen, bei einem wirklich allerletzten ersten Mal. Mit einem Programm voller Lieder, die die Welt nicht braucht, ohne die sie aber nicht weiter erwähnenswert wäre. Mit einigen Gästen aus den ersten Morlocks-Stunden: Niklaus Schärer, Silvio Britschgi, Silvy, Camillo Paravicini und Lorenzo Medici! Mit der Finalbesetzung Silvan Schmid, Gregory Schärer, Franziska Staubli, Christov Rolla, Omar Abu-Ghannam und MC Graeff. Mit nur einem einzigen neuen Lied, aber vielen der alten, lange nicht (oder jedenfalls nicht so) gehörten.
Nun los, habt keine Furcht, feiert mit uns die alte «Mors certa, hora incerta»-Sause und bringt eure Kinder und Eltern mit in den Keller der Industriestrasse 9, an einen der schönsten dunklen Musik-Orte des Innerschweizer Lampenladens. Anton Musik macht dort seit Jahren ein ausserordentliches Independent-Konzertprogramm und es ist uns eine Ehre, unsere erste und letzte Reunion dort zu bestehen. Tanzt mit den Morlocks zum Ende einer wunderbaren Geschichte, die aber eigentlich kein Ende kennt. (Und immerhin haben wir Black Sabbath überlebt!)
 

So, was gibt’s noch? Ach ja, keine Ahnung, wie wir den Sonntag erreichen, aber da geht’s gleich weiter, und zwar mit dem endlichen Beginn einer
neuen Literaturreihe im legendären Restaurant St. Magdalena!
 
Literatur ab 18
Sonntag, 12. Februar, 18 Uhr
Eintritt 10,-, mit Menü 25,-
Reservierungen: carlos@magdalena.ch
 
Wenn die Jahre kälter werden, muß man Holz aufs Feuer legen. Auch das Restaurant St. Magdalena hat – wie es die Alten singen – schon viel wildere Zeiten gesehen, als wir sie uns derzeit vorstellen können. Heute brennen uns die Augen vor lodernder Fleischesglut, aber die Ohren, das Hirn und die Zunge verkümmern hungrig im moralinsauren Zölibat.
Genug von Chatrooms, Flasherotik und Virenflut? Lust auf ein sonntägliches Menü aus den hinteren Reihen des Bücherregals? Genießen Sie ausgesuchte Einhandliteratur aller Zeiten unter guten Beizenfreunden, bei anregenden Getränken oder auch einem leichten, aber exquisiten Menü. Ein Leseabend für Erwachsene (und solche, die es werden wollen). Sex tells!
 
Weitere Termine der ersten Runde:
(einmal monatlich sonntags ab 18 Uhr)
12. 3., 16. 4., 14. 5. und 18. 6. 2017
 
Danach flüchten erstmal alle in die oder aus der Fasnacht, um einmal Trump zu sein oder eben nicht. Aber gleich danach geht es weiter:
 
Ob Ihr fastet oder nicht, ist uns schnurzpiepegal: Bei der Lesebühne in der Loge gibt’s in der Pause etwas hinter die Löffel. Was genau, weiß ich noch nicht; auf dem Plan steht Ungewöhnliches vom Spargel (soweit es sich in der Bühnenküche und wie immer in der ersten Halbzeit der Leseshow kochen läßt). Wie auch immer:
 
Dienstag, 7. März, 19.30 (Bar) / 20 Uhr
Luzerner Lesebühne «The Beauties und das Biest»
mit Patti Basler, André Schürmann, Christov Rolla und mir. Als Spezialgast besucht uns diesmal der Publizist und Moderator Severin Perrig. Wir freuen uns ungemein, auf ihn und auf Euch!
 
Severin Perrig wird auch wieder einen Hauptabend des Luzerner Literaturfestes moderieren, das zum 31. Mal vom 9. bis zum 12. März an verschiedenen Luzerner Orten stattfindet. Von Freitag bis Sonntag findet daneben mit dem Buchmarkt in der Kornschütte die wohl schönste Kleinstbuchmesse der Schweiz statt, mit etwa 40 Verlagen aus dem deutschsprachigen Raum.
 
Sämtliche Informationen dazu auf der hübschen neuen Homepage
 





Und wenn das Literaturfest dann gerade vorbei zu sein scheint (Sonntag 17 Uhr), setzen wir noch die zweite Folge der pornographischen Lesereihe in der offiziellen Festivalbeiz Magdi hintendran. Dort heißt es dann, nach den trockenen Büchern wieder ins wirkliche Leben zurückzufinden, bei einem günstigen Menü, erheblichem Alkohol und einem ausgewählten Bouquet der lüsternsten Textstellen aus der Einhandliteratur aller Jahrhunderte.
Literatur ab 18
Sonntag, 12. März, 18 Uhr
Eintritt 10,-, mit Menü 25,-
Reservierungen: carlos@magdalena.ch
 

Ja, und dann? Dann ist hoffentlich dieser miese Winter vorbei. Die Krokusse brüllen, die Eier knacken und auch Canaille du Jour bereitet sich auf neue Gehör-Raubzüge vor. Im April spielen wir eventuell in der dann frisch eröffneten Ravioli-Bar in der Hirschmattstrasse Luzern, am 28. April ganz sicher in der Buvette, direkt am See, und Ende Mai kommen wir mit dem Programm «Mitgefühl zum Teufel – Chansons concrétes» zur großen Elberfeld-Tournee nach Wuppertal. Das Konzert im Hotel Miraflores am 27. Mai ist bereits ausgebucht; Plätze gibt es noch am 26. 5. in der VHS und (ohne Gewähr für einen Sitzplatz) am 28. 5. im Café du Congo.
  
In der Zwischenzeit fabrizieren wir noch ein paar merkwürdige Videos, eigentlich zu Werbezwecken, jedoch meist fernab dieses Ziels. Zum Beispiel: