Ein Stückchen Leben

„History of Now“ von Nadiv Molcho

von Renate Wagner

History of Now
(Österreich 2017)

Drehbuch, Regie, Produktion: Nadiv Molcho
Mit: Nadiv Molcho, Aya Beldi, Kai Frederik Hillebrand, Lea Louisa Wolfram, Samy Molcho u.a.
 
Dear Diary“: Eli schreibt Tagebuch. Vielleicht hat ihm die Mama im wirklichen Leben – sprich, die Mutter von Nadiv Molcho – tatsächlich einmal ein Tagebuch geschenkt und damit den Wunsch nach Schreiben in Gang gesetzt: Denn der Film, den der junge Molcho nun vorlegt, in der ambitionierten Personalunion als Autor, Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller, hat etwas ungemein Persönliches. Eine ganz einfache Liebesgeschichte, in keiner Weise gekünstelt und überzeichnet, Alltägliches, wie es wahrscheinlich jedem einmal passiert. Und wenn ein junger Mann (sein berühmter Vater ist der nicht nur in Wien legendäre Pantomime Samy Molcho) Talent hat, wird er versuchen, eine solche Geschichte zu gestalten. Das Ergebnis: „The History of Now“.
 
Gedreht wurde auf Englisch, weil Hauptdarstellerin Aya Beldi vermutlich kein Deutsch spricht. Also hat Eli, der als Pfleger in einem Hospitz oder Krankenhaus arbeitet, in Maya eine bildhübsche jüdische Ausländerin aufgerissen, die in einer Küche arbeitet, aber große Ambitionen zeigt, selbst ein Restaurant zu besitzen und ein Kochbuch zu schreiben.
Ort der Handlung ist Wien – auf zwei Ebenen. In der Rahmenhandlung, als die beiden sich nach ihrer Trennung wieder treffen und wie zwei Fremde steif neben einander hergehen. Und in den vielen, vielen Szenen der Rückblende, die von einer großen, großen Liebe erzählen. Da scheut der Jung-Regisseur nicht einmal die rosa Blüten, unter die er das junge Paar stellt – Klischees dürfen sein, wenn der Himmel voller Geigen hängt.
Man erkennt viele Wiener Schauplätze, der Donaukanal spielt hier die Rolle wie in Paris die Seine, die beiden unternehmen viel zusammen, ziehen zusammen, streiten dann wohl auch (nicht nur über moderne Kunst, sondern auch weil sie unangenehme Neugierde zeigt, zu wissen, was er schreibt, und er des Autors Scheu hat, sich zu deklarieren), aber Eli ist überzeugt, in Maya die Frau seines Lebens gefunden zu haben. Der Papa (Samy Molcho, mit dem der Sohn Deutsch spricht) warnt, aber Eli will Maya einen Heiratsantrag machen. Am besten in Marokko, wo sie von einer israelischen Restaurantbesitzerin hingeschickt wird, um kulinarische Eindrücke zu sammeln…
 
Es kommt, wie es kommen muß, im Drehbuch ebenso wie oft im wirklichen Leben. Wenn sie in Marrakesch sind (eine zeitlang tönt André Hellers pathetische Stimme aus dem Off, um sich hymnisch über Marokko zu äußern), begegnen sie im Hotel einem Paar aus Berlin, Kay, der Fotograf (Kai Frederik Hillebrand), und Lea, das Model (Lea Louisa Wolfram), und man ist viel zusammen, zieht herum, trinkt viel zu viel und kifft gelegentlich, und eines Tages überrascht Eli seine Maya beim Sex mit Kai. Und damit ist alles zu Ende, auch wenn es ihr im halben Suff rein gar nichts bedeutet hat. Aber er kommt einfach nicht darüber hinweg…
Nichts an diesem Film weicht von der üblichen Erzählform einer solchen Geschichte ab, aber diese Erzählung ist so echt, so liebevoll, so erfühlt, daß man gerne mitgeht. Das Werden und Sterben einer Liebe unter größter Enttäuschung – ein Stückchen Leben, auf die Leinwand gebracht von einem begabten jungen Mann. Weitere Schritte – Filme – werden wohl folgen…
 
 
Renate Wagner