Jazz und Philharmonie

Das Konzertereignis der Saison

von Frank Becker

Markus Stockhausten - Foto ©  Hyou Vielz

Jazz und Philharmonie

das Konzertereignis der Saison

Schon im Juli 2002 hatten die Bergischen Symphoniker, das gemeinsame Sinfonieorchester der Städte Remscheid und Solingen, das Jazz-Trio Markus Stockhausen/Patrice Héral/Arild Andersen in ihrer Reihe „Sinfonikplus“ mit sensationellem Resultat zu Gast. Nun, vier Jahre danach, schickte sich der gleiche gemischte Klangkörper an, zum Abschluß der Saison an den damaligen Triumph anzuknüpfen - und es gelang brillant. Diesmal sollte der ganze Abend Kompositionen des Trompeters und Flügelhornisten Markus Stockhausen gehören. Als Stargast hatte er seine Frau Tara Boumann mitgebracht, die als Virtuosin an der Baßklarinette schon viele seiner Stücke zum Erfolg geführt hat. Den ersten Auftritt des Abends überließ Markus ihr mit dem für sie geschriebenen „Portrait for Tara“ (2004). In kleiner Besetzung schufen die Bergischen Symphoniker eine dichte „Klangwiese“, auf welcher der Gesang des Bassetthorns schreiten, verweilen und raffinierte Effekte wie die Dämpfung des Instruments mit der Ferse des linken Fußes als Illusion eines Digeridoo realisieren konnte. Ein Klanggemälde von großer offener Weite entfaltete sich in dem meditativen Stück mit präzisen Dialogen der Solistin mit dem Orchester, schönen Solo-Stimmen von 1. Cello (Thomas Schultze), Fagott (Peter Heider) und Kontrabaß (Rolf Füssel) und einer sehr lebendigen Coda.
 
Großes Orchester beim folgenden „Sonnenaufgang“ für Jazz-Trio und Streichorchester „plus“, mit Hörnern, Harfe, die Kesselpauken ungewohnt ganz vorne rechts außen hinter dem Jazz-Drumset. Nach rhythmischem Intro durch Drummer Patrice Héral und den Pauker (Oliver Hudec) fallen das während des gesamten Abends sensibel, umsichtig und dezent von seiner Generalmusikdirektorin Romely Pfund geleitete Orchester und Markus Stockhausen an der Piccolo-Trompete zur großen Eröffnung ein, entwickeln den pulsierenden Ablauf eines strahlenden Tages. Héral zeigt mit Raffinement seine hochsensible, virtuose Fingerakrobatik am Schlagzeug, vom Pauker als Alter ego begleitet, während Arild Andersen seinem Kontrabaß in einer Kombination von zartester Saitenkunst und gesampelten Loops Wehmut, Poesie und Rhythmus entlockt, zum Weinen schön. Aus gutem Grund zählt er zu den besten Jazz-Bassisten Europas. Stockhausen wechselt beschwingt und beschwingend zum Flügelhorn, leise von elysischen Streichern unterfüttert – ein Traum! Kontrabaß und Streicher-Pizzicati plaudern, Stockhausen greift zur gestopften Trompete, ein Teil der Orchestermusiker tritt von der Bühne in den Saal und umhüllt das Publikum nach atemlosem Jazz-Trio-Einsatz mit dem unisono gespielten Ausklang. Musik, wie nicht von dieser Welt – Jazz vom Allerfeinsten. Der frenetische Jubel des Publikums wiederholte die Ovationen von 2002.
 
Die Begeisterung, die während des Spiels auf den Gesichtern der Musiker zu lesen war, fand sich auch in Publikumsgesprächen während der Pause wieder (die meisten Zuhörer glänzten förmlich vor Glück) - und so berauschend, wie es begonnen hatte, setzte sich das Konzert fort. In „Ascent and Pause“ für Trompete und Streicher, zum gleichnamigen Bild von Johannes Itten komponiert, glänzte Markus Stockhausen mit dem sich elastisch und glänzend aufschwingenden Flügelhorn über weichem Streicherteppich, im Zenit des Aufwärts gefolgt von einem ungewöhnlich tiefen Ton aus der gestopften Trompete, kongenial von Ersten Kontrabaß des Orchesters aufgenommen. Pure Kontemplation nach innerlichem Stillstand, der die Zeit anzuhalten schien – „Klangmeditation“ nennt Stockhausen das selber treffend und: „Das Denken bekommt kein Futter mehr, es entsteht Ruhe“ - der sanfte Ausklang mit Flügelhorn und zarten Linien der Piccolo-Trompete. Wohlklang, der Wohlbehagen erzeugt.

Schließlich „Sehnsucht“ für Jazz-Trio und Orchester, ein Stück, in dem der ganze großartige Zauber, der in einer solchen Verschmelzung liegen kann, bis aufs i-Tüpfelchen gelang. Nach behutsamem Aufbau einer Basis mit Holzbläsern, Streichern und Baß-Linien Arild Andersens leiten Big Band-Riffs der Schulen Count Basies und Stan Kentons zum einfallsreichen großen Schlagzeug-Solo Hérals über, ein minutenlanges furioses Meisterstück, das vom Flügelhorn schließlich sacht „abgebremst“ wird. Musik, die Bilder eines Sonnenuntergangs über den endlosen Lavendelfeldern der Provence oder den grünen Hügelketten der Toscana suggeriert.
Den Ausklang bildete eine berauschende Zugabe, zunächst nur vom Trio Stockhausen- Andersen-Héral, mit begnadetem Baß-Solo Andersens als Zentrum, letztlich aufgelöst von einem brillant intonierten Tutti der Streicher. Ob es wohl besser, schöner geht? Ich glaube nicht.