Hermann Schulz

Ein Freund Nicaraguas und seiner Menschen

von Ernesto Cardenal

v.l.: Ernesto Cardenal und Hermann Schulz bei einer Lesung im Januar 2017 - Foto © Hermann Schulz

Anfang März kam der nicaraguanische Dichter Ernesto Cardenal (92) nach Wuppertal, in die Stadt, von der aus seine Bücher 1970 ihren weltweiten Erfolgsweg angetreten hatten und deren Universität ihm nun, 2017, die Ehrendoktorwürde verlieh. In einer Rede würdigte er die Verdienste des Verlegers Hermann Schulz, dem dieser Erfolg geschuldet ist und der sein Freund und der Freund seines Landes wurde.
 
Hermann Schulz
 
Ein Freund Nicaraguas und seiner Menschen
 
Ich habe schon bei anderer Gelegenheit gesagt, daß es in der Geschichte meiner Gemeinschaft in Solentiname Wunder gegeben hat. Das allererste Wunder war, daß die Inseln meinen Weg kreuzten. Und es war auch ein Wunder, daß an diesen so weit entlegenen Ort der deutsche Verleger Hermann Schulz kam.
Kurz zuvor hatte er mein Buch mit der Nachdichtung der Psalmen herausgebracht, das erste meiner Bücher, das auf Deutsch veröffentlicht wurde, und er kam nach Solentiname, um mich kennenzulernen. Es war ein großer Zufall, daß in der gleichen Woche, ohne daß der eine vom anderen wußte, auch ein Verleger aus Argentinien nach Solentiname kam, der wenig später dasselbe Buch auf Spanisch veröffentlichte. Über diesen kann ich sagen, was Gabriel García Márquez über seinen ersten Verleger geschrieben hat: daß er „nicht mal mit einem Erschießungskommando dazu gezwungen werden könnte, jemals wieder einen Vertrag mit ihm zu unterschreiben“.
Hermann Schulz hingegen wurde nicht nur mein Verleger, der zahllose Ausgaben meiner Bücher in seinem Verlag und anderen veröffentlichte, in Deutschland wie auch vielen anderen Ländern, sondern er wurde auch zu einem engen Freund und ist es bis heute geblieben. Bald wurde er dann auch der Verleger guter Freunde von mir, von William Agudelo, von Sergio Ramírez und anderen.
 
Zwei Jahre nach seinem ersten Aufenthalt in Solentiname, im Jahre 1972, kam Hermann wieder zu Besuch, und diesmal bereiste er einen Großteil des Landes und schrieb ein Buch darüber, „Ein Land wie Pulver und Honig“, eins der besten Bücher, das je über Nicaragua geschrieben worden ist und das Sergio Ramírez ins Spanische übersetzte und mit einem Vorwort versah.
„Pulver und Honig“ - das paßte damals zu Nicaragua unter dem Diktator Somoza, aber mit Dichtern und einem zärtlichen Volk. Er kam im Mai, wenn die Regen beginnen, dem fröhlichsten Monat in Nicaragua, wenn alles grün wird; die Luft voller Blütenduft, weiße Reiher fliegen über Wellblechdächern, der feuchte Schlamm glänzt in der Sonne. An einer Tankstelle setzte er sich auf ein rostiges Faß und trank ein Glas rosafarbener Mais-Chicha. Im ganzen Land hingen Wahlplakate für den dritten Diktator aus der Somoza-Dynastie, viele Menschen waren arbeitslos, es herrschte ein Klima der Hoffnungslosigkeit. Doch Hermann traf sich mit den wichtigsten Dichtern, und im Hafen von Corinto sagte ihm ein kleiner Schuhputzerjunge, auch er sei ein Dichter, und zwar ein Dichter der Avantgarde-Bewegung. Eine junge Campesina-Frau gab ihm einen Kuß, als er aus einem Zug ausstieg. Als er mit dem Boot auf einem Fluß im Regenwald unterwegs war, lächelte ihm aus einer Hütte am Ufer eine junge Frau zu. An der Karibikküste freundete er sich mit den Schwarzen dort an und trank eine Nacht hindurch in einer Hütte mit den Miskito-Indios. Das Erstaunlichste für ihn ist, daß kein Tag ohne ein Gespräch über Poesie vergeht. Dann kam er wieder nach Solentiname, und er schrieb, es sei gewesen, als kehre er nach Hause zurück. Es ist ein sehr poetisches Buch, das sich aber auch wie ein Roman liest. Und es ist ein Buch voller Zärtlichkeit.
 
Hermann Schulz gewann so viel Zuneigung zu Nicaragua, daß er sich konsequenterweise auch für dessen Revolution engagierte. Schon ab dem ersten Aufstand im Land im Jahre 1978, an dem auch Freunde von ihm in Nicaragua beteiligt waren, kümmerte er sich darum, daß in ganz Deutschland Solidaritätskomitees gegründet wurden. So war er an der Gründung von 150 Komitees beteiligt, das ganze Land war voller Komitees, während es in den USA zu jener Zeit nur drei oder vier und in Spanien ganze zwei gab. Die Komitees gaben verschiedene Publikationen heraus, an ihrer Gründung nahm auch der Nicaraguaner deutscher Abstammung Enrique Schmidt teil, der später heldenhaft bei der Verteidigung der Revolution fiel.
Seitdem ist Hermann unzählige Male in Nicaragua gewesen, so viele Male, daß wir gar nicht mehr wissen, wie viele. Und ich bin meinerseits durch ihn und wegen meiner Bücher, die er veröffentlicht hat, mehr als zwanzig Mal, vielleicht sogar dreißig Mal nach Deutschland gereist. Wegen all dem, was ich hier rasch zusammengefaßt habe, könnte man sagen, daß Hermann so viele Bande mit Nicaragua verbinden, daß man ihn einen Nicaraguaner „honoris causa“ nennen müßte.
Und wir Freunde von Hermann in Nicaragua und überall freuen uns, daß er nicht nur der Verleger wichtiger Autoren gewesen ist, sondern sich inzwischen selbst zu einem Autor entwickelt hat, der so wichtig ist wie sie oder wichtiger noch.
 
 
Ernesto Cardenal am 03.03.2017 in Wuppertal, Theater am Engelsgarten
 
Ins Deutsche übertragen von Lutz Kliche
Redaktion: Frank Becker