Beckfelds Briefe

An Rudi Assauer

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Rudi Assauer galt lange als der Macho der Bundesliga. In einer ZDF-Dokumentation bekannte sich der Ex-Manager des FC Schalke zu seiner Alzheimer-Erkrankung.
 
Lieber Rudi,
 
wenn ich mir etwas erträumen dürfte, dann wäre heute alles wie früher: Vor und nach dem Derby würdest Du im VIP-Raum Deine Grand Cru No. 3 paffen, eine Zigarre, die Davidoff nur für Dich produziert. Du wärest umlagert von Fans, Frauen und Kamerateams, die Dich um Autogramme, Erinnerungsfotos und Interviews bitten. Mit dem Mann, der nie ein Diplomat am Mikro war und sein wollte. Der für ungeschminkte Wahrheiten stand, die manchmal wehtaten. Die Du häufig macho-arrogant, zuweilen oberflächlich und schnoddrig rüberbrachtest. Du konntest auch ungerecht, verletzend sein. Was andere von Dir dachten, war Dir egal. Du warst der Macher, der Chef, der Bauherr der Arena. Du warst Schalke. Und Du warst vor allen Dingen ein Mann mit einem ganz großen Herzen, der half, wenn er helfen konnte, und es nicht an die große Glocke hängte.
Die ungeschminkte Wahrheit, sie läßt sich auf Deiner Homepage ablesen. Der letzte Eintrag, datiert vom 27. April, drei Tage vor Deinem 68. Geburtstag. Der Anfang des Trude-Herr-Liedes: „Wenn man Abschied nimmt, geht nach unbestimmt, mit dem Wind, wie Blätter wehn.“ Im Februar hat uns die Nachricht von Deinem unschlagbaren Gegner Alzheimer schockiert, die Dokumentation im ZDF aufgewühlt. Es waren Bilder der Ohnmacht, der Wut, der schleichenden Resignation, der Angst vor der Leere im Kopf. Vor dem Gedächtnisverlust. Selten, aber immerhin, da blitzte Dein schelmisches, unwiderstehliches Lächeln hinter dem Qualm der Zigarre auf, da formuliertest Du klare Gedanken. Nein, Du wolltest nach dem mutigen Schritt in die Öffentlichkeit kein Mitleid. Wenn überhaupt, dann wolltest Du Respekt einfordern. Für Dich, für Millionen andere Alzheimer-Erkrankte und deren Angehörige. Es ist ein Skandal, daß das ZDF den Film erst kurz vor Mitternacht zeigte. Viel zu wenige haben gesehen, gelernt, was Alzheimer-Erkrankte brauchen, was ich Dir für die Zukunft wünsche: Zuwendung, Verständnis, Geborgenheit. Eine Bezugsperson, der Du vertraust. Die Sicherheit, nicht in Frage gestellt zu werden. Die Wahrnehmung, daß Du noch eine respektable Person bist. Die Anerkennung Deines Mutes.
 
Lieber Rudi,
Du bist der einzige Schalker, den die Schwarzgelben lieben. Im Dortmunder Stadion würden Dich heute 80.000 herzlich begrüßen, und Deine Kumpels aus der 66er-Elf würden Dich in den Arm nehmen. Als erste deutsche Mannschaft habt Ihr den Europapokal gewonnen. Ich wünsche Dir, daß Du Freunde hast, die Dich auch im Herbst Deines Lebens nicht vergessen. Die Dich in der Wohnung in Herten besuchen, in Deiner neuen einsamen Welt.
 
(20.10.2012)
 

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.

Redaktion: Frank Becker