Beckfelds Briefe

An Armin Rohde

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Er spielt ganz besondere Typen, früher nicht selten gestrandete Typen. Nun jagt er im Kino und im Fernsehen auch Verbrecher, unterrichtet als Lehrer. Armin Rohde, eine Rampensau auf der Leinwand, ein stiller Hehfer hinter der Bühne. Sympathisch skurril, mal Lautsprecher, mal einfühlsamer Zuhörer an der Theke.
 
Lieber Armin Rohde,
 
lange Zeit, das gebe ich zu, waren Sie für mich im Kino und im Fernsehen der Bösewicht und Fettsack, der schräge Außenseiter und ewige Verlierer, der immer gehörig was auf die Fresse bekam. Sie waren der Mann für Nebenrollen, wenn auch für die ganz besonderen, weil ausdrucksstarken.
Wobei ich sagen muß, daß in meinem Lieblingsfilm „Kleine Haie“ andere mich mehr berührten. Sie spielten „Bierchen“, den überdrehten, ständig auf Droge stehenden Chaoten am Steuer, der bei Heavy-Metal-Musik völlig ausrastet. Ich mochte mehr die eher leisen, schüchternen, an sich selbst zweifelnden Typen, die vor Aufnahmeprüfungen zitterten und doch alles dafür taten, ihr Ziel zu erreichen, es auf die Schauspielschule, auf die Bühne zu schaffen. In denen fand ich mich wieder. Ich war früher nie ein Anführer, eine Rampensau schon gar nicht.
Jetzt, viel zu spät, Ihr Buch „Größenwahn und Lampenfieber“ erschien bereits 2009, habe ich gelesen, wie schwer Ihr Weg vom Arbeitersohn, der zwei Monate vor dem Abitur die Schule schmiß, zu einem der anerkanntesten deutschen Schauspieler war. Gleichzeitig aber wurde mir bewußt, daß hinter all Ihren Erfolgen nicht nur Talent, Ihr Draufgängertum und Ihr unbändiger Ehrgeiz stehen. Mir imponiert, wie hart und kompromißlos Sie an der Essener Folkwang-Schauspielschule an Ihrer Karriere gearbeitet haben; wie intensiv Sie Menschen beobachten und sich in jede Rolle reinknien, um den unterschiedlichen Charakteren gerecht zu werden.
Früher, da spielten Sie fast nur negative, auch gestrandete Typen; den grobschlächtigen Geldeintreiber, den amoklaufenden Postboten, den 1-Euro-Jobber mit der nicht legalen Geschäftsidee, den ausgenutzten Liebhaber; und den kumpelhaften Proleten und Kotzbrocken sowieso, am besten noch aus dem Ruhrgebiet. „Alles, nur nichts Elegantes“, wie Sie sagen.
Heute jagen Sie als Kommissar Verbrecher, unterrichten als Lehrer, kämpfen als Sheriff für die Gerechtigkeit, und wir sehen Sie in historischen, klassischen Rollen. Sie haben in mehr als hundert Kino- und TV-Produktionen mitgewirkt, allein in diesem Jahr haben Sie fünf Filme abgedreht. Für mich sind Sie ein Arbeitstier, einer, der von einem Job zum nächsten hetzt, der nur ganz schlecht Nein sagen kann; es ist mir schon ein bißchen zu viel Rohde. Fast kommt es mir vor, als ob Sie das Gefühl hätten, Ihnen liefe mit 60 Jahren die Zeit davon. Vielleicht hat Sie wirklich der Selbstmord Ihres damals 19-jährigen Freundes verändert, treibt sie an, nichts verpassen zu wollen.
 
Lieber Armin Rohde,
beim Blick auf Ihr Leben fielen mir unsere Gemeinsamkeiten auf. Wir sind beide im April 55 geboren, Sie in Gladbeck, ich in Bottrop; fast wäre es ja mal eine Stadt geworden. Wir waren Meßdiener und hörten auf, als uns die Kirche enttäuschte. Sie bekamen als Einziger keine Weihnachtstüte, ich vor der gesamten Klasse eine Strafpredigt des Pfarrers, weil ich beim Gottesdienst gefehlt hatte. Wir lieben unsere Heimat, das Ruhrgebiet, Wobei mir gefällt, daß Sie das Revier nicht romantisieren. Ganz besonders imponiert mir, daß Sie sich um angehende Schauspieler kümmern, mit ihnen proben, sie von Ihrer Erfahrung profitieren lassen - und damit nicht hausieren gehen. Es ist der stille Dank an Ihre Ausbilder an der Folkwang-Schule. Sie, die Rampensau des Kinos, der für Drehaufnahmen drei Nächte lang nackt durch St. Pauli laufen mußte, haben eine ganz sensible Seele.

(31.10.2015)
 
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.

Redaktion: Frank Becker