Fragwürdig

„The Birth Of A Nation – Aufstand zur Freiheit“ von Nate Parker

von Renate Wagner

The Birth Of A Nation –
Aufstand zur Freiheit

(The Birth of a Nation - USA 2016)

Drehbuch und Regie: Nate Parker
Mit: Nate Parker, Armie Hammer u.a.
 
Wer war Nat Turner (1800-1831)? In unseren Zeiten rangiert er unter den wichtigsten Afroamerikanern. Für die Sklavenhalter des amerikanischen Südens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war er ein Rebell, Führer eines überaus blutigen Sklavenaufstands, der hingerichtet wurde. Eine zwiespältige Figur, die so viel Unrecht erlitten wie getan hat.
 
Dennoch hätte der Film des noch nicht 40jährigen Afroamerikaners Nat Parker, der wie sein Vorbild aus Virginia stammt, wahrscheinlich bei der letzten „Oscar“-Verleihung unter so viel „schwarzem“ Kino („Moonlight“, „Fences“, „Hidden Figures“) als einziges wirklich hartes historisches Drama prominent mitgekämpft, hätte den Regisseur seine Vergangenheit nicht eingeholt. 1999 haben er und sein Freund Jean Celestin (er schrieb das Drehbuch für „Birth of a Nation“) eine betrunkene Frau vergewaltigt. Die beiden konnten Einvernehmlichkeit behaupten und wurden frei gesprochen. Aber, wie das Leben so spielt, nicht jeder hat nur Freunde – in der Nähe eines Erfolgsfilms, der „Oscar“-Chancen hatte, erinnerte sich der Bruder der betroffenen Frau (die Jahre später Selbstmord begangen hatte) an die Geschichte, und nicht nur das feministische Bewußtsein des heutigen Amerika sorgte dafür, daß Nat Parker auch aus der Distanz von knapp zwei Jahrzehnten nicht verziehen wurde. Keine „Oscar“-Nominierung, mehr noch – der Film sackte in den Kinos ab. Obwohl ein wichtiges Kapitel ihrer Geschichte beschrieben wird, wollte auch die afroamerikanische Bevölkerung „The Birth of a Nation“ nicht sehen. Kaum anzunehmen, daß europäische Einspielergebnisse den Film an den Kassen noch retten wird…
 
Filme über Sklaverei sind immer ein Problem, man erinnert sich, wie Quentin Tarantino attackiert wurde, weil er das Problem in „Django Unchained“ (worin es wirklich brutale Szenen gab) angeblich nicht ernsthaft genug behandelt hat. Im Grunde hat nur der Film „Twelve Years a Slave“ des Regisseurs Steve McQueen von der Hoffnungslosigkeit des Sklavendaseins erzählt, ohne daß jemand etwas daran auszusetzen hatte. Nat Parker wollte es mit aller Brutalität klar machen: Er treibt die Gestaltung von schauerlichen Gewaltszenen zum Exzess (nur eine Vergewaltigung läßt er quasi jenseits der Kamera stattfinden…), aber er setzt sie natürlich ebenso spektakulär ein wie die sentimentalen Szenen von Leid und Verzweiflung.
Immerhin soll man wissen, wie Nat Turner zum Aufständischen wurde. Er war ein überaus begabter Junge, und die Hausfrau auf der Plantage nahm sich seiner an, lehrte ihn das Lesen, natürlich auf der Basis der Bibel. Und das wurde sein Schicksal. Zuerst von seinem Herrn auf die Baumwollfelder zurückgeschickt, entdeckte sein nächster Besitzer Samuel Turner (Armie Hammer in einer interessant schillernden Rolle), daß ein predigender Schwarzer in einer Welt unruhiger Sklaven etwas wert sein könnte. Später vermietete er ihn an verschiedene Plantagenbesitzer, damit er die Sklaven besänftige und im Namen Gottes erklärte, es sei ihre Pflicht, ihren Herren bedingungslos zu gehorchen: „Slaves, submit yourselves to your masters“, Sklaven, unterwerft Euch Euren Herren…
Hier baut Nate Parker als Regisseur und Drehbuchautor nicht nur die Szene von der Vergewaltigung von Nat Turners Frau ein, sondern auch die grausamen Szenen aus dem Sklavenalltag, Brutalität gegen und Demütigung von Menschen, die kaum wagten, ihren Blick zu erheben und sich mühten, ihren kochenden Haß nicht zu zeigen, wollten sie nicht zu Tode geprügelt werden.
 
So geht man – auch Nat Turner wird einmal der brutalen Prügelstrafe unterzogen – gewissermaßen den logisch Weg, bis das Faß überquillt und es zur scheinbar unvermeidlichen, von Turner angeführten Revolution kommt, die er eigenhändig mit der Ermordung seines Herren beginnt.
Dann folgt ein Schlachtfest, in dem sich blutiger Haß entlädt – und das „Heldentum“ des Nat Turner dann doch fraglich macht. Es wurde zwar alles getan, um detailfreudig aufzuzeigen, daß die „Berechtigung“ bestand, sich zu wehren, auch zu vergelten, aber tatsächlich waren Unrecht und Gewalt auf beiden Seiten so groß, daß die Heldentauglich von Turner fraglich ist.
 
Ebenso die Qualität des Films, der weniger mit Analyse als mit der emotionalen Keule arbeitet und eigentlich nur erschreckt und abschreckt. Vielleicht war das die Absicht. Aber in einer Welt, wo die Dinge in den USA sich zwischen Schwarz und Weiß langsam konsolidieren, den alten Haß aufzustacheln – das ist wohl auch keine so gute Idee…
 
 
 
Renate Wagner