Krimi und Erotik-Thriller von eigener Qualität

„Die Taschendiebin“ von Chan-wook Park

von Renate Wagner

Die Taschendiebin
(Ah-ga-ssi / The Handmaiden - Südkorea – 2016)

Regie: Chan-wook Park
Mit: Kim Min-hee, Kim Tae-ri, Ha Jung-woo, Cho Jin-woong u.a.
 
Man kann sich die Geschichte, die ein hoch raffinierter psychologischer Krimi ist, sehr gut in England vorstellen – dort spielt auch die Vorlage, der Roman „Solange du lügst“ von Sarah Waters. Regisseur Chan-wook Park – der mit Ausnahme des amerikanischen Krimis „Stoker“ bisher nur Filme im heimatlichen Korea gedreht hat (und damit immer Festival-Erfolge einfuhr) – hat die Handlung nun in die dreißiger Jahre versetzt, in ein von den Japanern besetztes Korea. Das Hin- und Her zwischen den beiden Nationen, die für den europäischen Zuschauer optisch nicht wirklich zu unterscheiden sind, löst hierzulande vielleicht Verwirrung aus, zumal der Film in Originalfassung gezeigt wird: Vor allem die zweifellos angesprochenen kulturellen Differenzen sind ziemlich undurchsichtig. Jedenfalls ist es ein historischer Film mit opulentem Ambiente, in dem europäische Herrenhäuser offenbar die übliche Wohnform für die Reichen und Schönen darstellten.
 
Undurchsichtig ist auch der Krimi, bei dem sich Chan-wook Park (wie auch schon bei „Stoker“) auf Hitchcock beruft. Erst später, wenn man Kapitel 2 und 3 sieht, weiß man, warum ein Kapitel 1 angekündigt wurde: Dieselbe Geschichte wird gewissermaßen dreimal erzählt, aus verschiedenen Aspekten, sie sieht dann ganz anders aus, und man merkt schnell, daß das Vertrauen, daß man zu Beginn aufgebaut hat – naiv in der Annahme, die Dinge seien, wie sie sind, wenn auch kompliziert genug -, nicht trägt: Alles ist immer anders. Fragt man nach Guten und Bösen, kommt man zu keinem Schluß. Nach „Ehrlichen“ zu fragen, wäre lächerlich, denn Betrüger sind sie alle…
Details zu erzählen, wäre Spoiling, aber einiges muß sein, um zu verstehen, worum es eigentlich geht: Da ist Fräulein Hideko, eine wunderschöne, reiche Erbin (eine Augenweide: Kim Min-hee), die mit ihrem Onkel Kouzuki (Cho Jin-woong) offenbar im besetzten Korea lebt. Dieser Onkel mißbraucht sie dazu, vor männlichen Gästen erotische Vorlesungen zu halten – und im übrigen selbst auf sie und ihr Geld spitzt (wie man später herausfindet).
Und da ist ein koreanischer Hochstapler, der so genannte Graf Fujiwara (schmierig: Ha Jung-woo), der einen ganz ausgefeilten Plan hat: Er will Hideko in sich verliebt machen, sie heiraten, dann ins Irrenhaus sperren und mit ihrem Geld abpaschen. Als Hilfe setzt er die titelgebende Taschendiebin Sookee ein (hinreißend, halb offen, halb hintergründig: Kim Tae-ri). Sie soll die Situation ausspionieren und dem „Grafen“ den Boden bereiten. Was zuerst herauskommt und dem Film zweifellos eine breite männliche Klientel verschafft, ist eine (echte?) Zuneigung der beiden Frauen, in der Folge eine ausführliche lesbische Liebesgeschichte, die sich zum süffigen Soft-Porno ausweitet: Da gibt es etwas zu sehen zwischen zwei ebenso attraktiven wie sensiblen Frauen…
 
Der erste Teil der Geschichte führt bis zur Einlieferung ins Irrenhaus, wo man die erste Kardinalpointe der Geschichte serviert bekommt: Wer hat jetzt wen betrogen? Eine Frage, die sich verdichtet, wenn die Sache noch einmal (und dann noch einmal) erzählt wird und wir lernen, den Motivationen zu mißtrauen, bis zum Ende, nicht wissend, was da läuft… bis zu etwas, das auf einem Schiff ein Happyend sein könnte. Wenn’s diesmal wahr wäre.
Das ist ein Krimi mit zahllosen vertrackten Drehungen und Wendungen und ein Erotik-Thriller von eigener Qualität… Asien-Kino der anderen Art, aber keinesfalls abgehobenes Arthouse, das nur für ein minimales Publikum gedacht wäre.
 
 
Renate Wagner