So richtig geehrt würde sich Max Frisch durch diesen Film nicht fühlen.

„Rückkehr nach Montauk“ von Volker Schlöndorff

von Renate Wagner

Rückkehr nach Montauk
(Deutschland, Frankreich, Irland 2017)

Regie: Volker Schlöndorff
Mit:
Stellan Skarsgård, Nina Hoss, Susanne Wolff, Niels Arestrup, Isi Laborde u.a.
 
Man erinnert sich noch an das Aufsehen, das Max Frischs Erzählung „Montauk“ 1975 verursachte. Es mag mehr als 40 Jahre her sein, aber Geschichten, die sich an Persönliches knüpfen, bleiben im Gedächtnis haften. Hieß es doch damals, Frisch habe im Stil eines Schlüsselromans unter verschiedenen Frauenaffären auch seine unglückliche Beziehung zu Ingeborg Bachmann (die zwei Jahre davor gestorben war) verarbeitet.
Tatsächlich handelte es sich um eine schonungslose Selbstdemontage des Autors als Mann – und Ähnliches versucht Regisseur Volker Schlöndorff, der zusammen mit Colm Tóibín das Drehbuch schrieb, mit seinem Film „Rückkehr nach Montauk“. Dabei versichert der Autor / Regisseur einerseits, daß es um keine Verfilmung der Frisch-Novelle gehe, andererseits widmet er den Film dem Andenken des Dichters – und tatsächlich erzählt er, hier konzentriert auf eine gegenwärtige und eine ehemalige Geliebte, mehr oder minder vom Seelenleben des Dichters Max Frisch, der in so gut wie allen seinen privaten Beziehungen scheiterte, aber dann höchst erfolgreich „Literatur“ daraus gemacht hat. Was Schlöndorff dem Dichter – sozusagen von Mann zu Mann – nicht übel nehmen will.
 
Zu Beginn monologisiert Stellan Skarsgård (nicht mehr jung, noch nicht alt, ein zurückhaltender Intellektueller) als Max Zorn, und man merkt erst nach ein paar Minuten, daß es sich dabei um eine Dichterlesung handelt, die der offenbar sehr prominente deutsche Autor in New York hält. Zweifellos ist er einer, der sein eigenes Leben sehr wirkungsvoll als Literatur verkauft… und den originalen, so berühmten Frisch-Satz über ihn und die Bachmann hat Schlöndorff seinem Helden gelassen: „Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht.“ Ja, da ist noch eine mißglückte Liebesgeschichte zu erzählen.
Um Max herum gibt es obligatorisch Frauen: die kluge Werbedame Lindsey (Isi Laborde) und seine Geliebte Clara (Susanne Wolff), die offenbar schon seit einiger Zeit in New York lebt, ohne daß er sich über ihre Lebensumstände besonders den Kopf zerbrechen würde.
Er sieht seinen alten Freund Walter (Niels Arestrup) wieder (auch dieser kommt im originalen „Montauk“ als W. vor), den er vor allem dazu benützen will, „sie“ wieder zu sehen: Rebecca, die jetzt Epstein heißt und Anwältin ist. Einst, als er sie vor 17 Jahren in New York kennen lernte, kam sie frisch aus der DDR. Die beiden verbrachten ein unvergessliches Wochenende im sturmgepeitschten Montauk in Long Island (per Auto von New York aus zu erreichen) – und dann hat er sich, wie so oft, umgedreht und ist gegangen. Auf Nimmerwiedersehen.
Kein Wunder, daß Rebecca nicht sonderlich begeistert ist, als er sie um jeden Preis wiedersehen will. Freilich – wie sich dann die Zusammenkunft des Paares gestaltet, mit welch unglaubwürdigen Verrenkungen das Drehbuch die beiden noch einmal nach Montauk schickt (das Wetter ist wieder elend), was für seltsame Geschichten Rebecca da von einem toten Geliebten erzählen muß… da bricht Schlöndorffs Film glatt zusammen, und nicht einmal Nina Hoss, sicher eine der besten deutschen Schauspielerinnen, kann das wirklich glaubhaft erspielen.
Max Zorn, der es in männlicher Naivität mit jeder Frau immer wieder versuchen will, blitzt schließlich bei beiden ab, bei Rebecca und dann bei Clara, zu der er zurück will. Man ist fast erleichtert, wenn er allein im Flugzeug sitzt und nach Europa zurückkehrt. Er wird schon wieder einen Bestseller aus seinen Beziehungen und aus seinem Versagen machen…
Und man hat das dumpfe Gefühl: So richtig geehrt würde sich Max Frisch durch diesen Film nicht fühlen.
 
 
Renate Wagner