Dieser Don Quijote ist traumhaft!

Im Wuppertaler „Don Quijote“ beeindruckt Marco Wohlwend als scheiternder Held

von Daniel Diekhans

vorn: Marco Wohlwend und Thomas Gimbel, hinten: Anne-Catherine Studer - Foto © Dr. Heinrich Brinkmöller-Becker

Dieser Don Quijote ist traumhaft!
 
„Don Quijote de la Mancha“ von Miguel de Cervantes
in der Übersetzung von Ludwig Braunfels.
Bühnenfassung von Hubert Schirneck und Robert Sturm.
 
Bühnenfassung des Romanklassikers bietet Spiel, Musik und Bilderwelten
 
Regie: Robert Sturm - Ausstattung und Kostüme: Aniko Elias - Choreographie: Jean Laurent Sasportes - Video: Ralf Silberkuhl und Sven Petersen - Künstlerische Beratung: Tony Cragg
Besetzung: Marco Wohlwend (Don Quijote) - Thomas Gimbel (Sancho Pansa) - Ingeborg Wolff (Haushälterin Refugia) - Jörg Reimers (Dorfpfarrer Pero Pérez) - Jonas Eckert (Barbier Meister Nicolas) - Anne-Catherine Studer (Dulcinea del Toboso) - Bernhard Glose (Andrés) - Jean Laurent Sasportes (Caballerizo)
Musiker: Schönberg-Ensemble der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal (Komposition: Carolin Pook, Einstudierung: Werner Dickel), Matthias Burkert (Theremin), Uwe Fischer-Rosier (Gongs)
 
Im Wuppertaler „Don Quijote“ beeindruckt Marco Wohlwend als scheiternder Held
 
Wie schon in der Romanvorlage muß auch der Bühnen-Don Quijote am Ende die Waffen strecken. Das ist es ja gerade, was ihn dem Zuschauer so sympathisch macht. Dabei fängt der Anfang vom Ende eigentlich harmlos an. Die Hand von Quijote-Darsteller Marco Wohlwend verfängt sich in einer Schlinge. Aber da ist niemand mehr, der ihm helfen könnte. Freunde, Nachbarn und selbst seinen treuen Sancho Pansa – alle hat er vergrault. Also hängt da er zwischen Himmel und Erde. Als seine Mitspieler ihn schließlich doch befreien und es zurück geht auf den Boden der Tatsachen, ist der fahrende Ritter ein anderer. Stumm und mit leerem Blick bleibt Wohlwend/Don Quijote zurück.
 
Der Kontrast zum Auftakt könnte nicht größer sein. Da tritt Wohlwend mit leuchtenden Augen und vor Kraft geschwellter Brust vors Publikum. Der Elan des selbsternannten Helden ist so groß, daß ihm die Bühne zu eng wird. Als er ins Publikum hineinsteigt, fragt er eifrig: „Sind Sie eines Ritters bedürftig?“ Das Lachen, das ihm antwortet, irritiert ihn nicht. Er hängt der Idee an, anderen mit seiner ritterlichen Mission helfen zu können. Dabei kann er nicht einmal den Knecht Andrés davor schützen, vom Bauern ausgepeitscht zu werden. Kaum nämlich hat Don Quijote beiden den Rücken gekehrt, geht die Bestrafungsaktion weiter.
Bühnenheld Wohlwend braucht selber Hilfe. Mit seinem Blech-Pferd käme er selbständig keinen Meter vorwärts. So muß ihn Jean Laurent Sasportes als Caballerizo beim sprichwörtlichen Kampf gegen die Windmühlen tüchtig anschieben. Eine beeindruckende Zeitlupen-Szene entspinnt sich. „Es ist alles nur Theater“, sagt man sich, wenn Wohlwend sehr langsam gegen die weiße Bühnenwand fährt. Beim Anblick seines schmerzverzerrten Gesichts tut er einem trotzdem herzlich leid.
Im Gegensatz zu Don Quijote weiß Regisseur Robert Sturm genau, daß er jede Menge Helfer braucht, damit das Spiel zwischen Phantasie und Wirklichkeit gelingt. Vor allem einen Sancho Pansa wie Thomas Gimbel, der genauso präsent wie Wohlwend spielt. Außerdem zeigt Gimbel überzeugend, daß der „Schildknappe“ Sancho an seiner Aufgabe wächst. Als es Wohlwend die Sprache verschlägt, spricht er an seiner Stelle und formuliert seine eigene Philosophie.
 

v.l.: Anne-Catherine Studer, Ingeborg Wolff - Foto © Dr. Heinrich Brinkmöller-Becker

Auch die anderen Schauspieler dürfen in der „Don Quijote“-Version von Sturm und Hubert Schirneck aus der Rolle fallen. In ihrem Monolog muß Ingeborg Wolff die Stimme nur ein wenig modulieren und die Stirn kraus ziehen, und der Heldenmythos ist ironisch entlarvt. Bauern, Kaufleute, Priester – Jörg Reimers und seine jungen Kollegen Jonas Eckert und Bernhard Glose wechseln schnell und souverän die Rollen. Begegnen sie dem „Ritter von der traurigen Gestalt“, kann der Zuschauer verläßlich mit actionreichen Kampfszenen rechnen.
Räumlich oberhalb des Geschehens, auf Podesten und Treppen, agiert Anne-Catherine Studer. Als Dulcinea von Toboso ist sie Don Quijotes Kopfgeburt. Studer unterstreicht dies mit schlafwandlerisch langsamen Bewegungen und intensiven, nach innen gerichteten Blicken. Aber wie wirklich sind überhaupt die Mitspieler des Ritters? Da gibt es mehr als eine Szene, die in traum-artiger Atmosphäre abläuft.
 
Live-Musik und Video steigern die unwirkliche Atmosphäre noch. Während Matthias Burkert (Theremin) und Uwe Fischer-Rosier (Gongs) meist im Bühnenhintergrund bleiben, werden die sieben Streicher des Schönberg-Ensembles zu stummen Mitspielern. Komponistin Carolin Pook hat ihnen Klänge beigegeben, die – mal melodisch-leise, mal dissonant-aggressiv – die Spielhandlung kommentieren. Die Videos von Ralf Silberkuhl und Sven Petersen schließlich verfremden kleine Gegenstände zu scheinbar endlosen Landschaft der Mancha, aus der Don Quijote stammt.


Marco Wohlwend und Musiker des Schönberg-Ensembles - Foto © Dr. Heinrich Brinkmöller-Becker
 
„Don Quijote“ läuft wieder am 25. Mai in der Riedel-Halle V. Adresse: Uellendahler Straße 353, 42109 Wuppertal. Es folgen Aufführungen am 26. und 30. Mai sowie am 3., 4. und 5. Juni jeweils um 19.30 Uhr.