Beckfelds Briefe

An Liselotte Pulver

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Im „Dortmunder U“ wird die Schauspielerin Liselotte Pulver für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Und plötzlich ist es wieder da, was uns schon vor Jahrzehnten verzaubert hat: ihr unwiderstehliches Lächeln.
 
 
Liebe Liselotte Pulver,
 
würde ich eine Umfrage machen, was die Älteren unter uns mit Ihrem Namen verbinden, ich glaube, die Antworten zu kennen: Es sind Ihre Filme „Ich denke oft an Piroschka“, „Die Zürcher Verlobung“, „Das Wirtshaus im Spessart“, zugegeben in die Jahrzehnte gekommene Klassiker, schmalzig und nostalgisch schön, mit ganz viel heiler Welt, aber jede Wiederholung wert. Und es ist vor allen Dingen Ihr Lachen, das Millionen verzaubert hat. Ein Lachen voller Lebensfreude, so ehrlich, so herz- und besitzergreifend, so natürlich, nicht selten aber auch mit einem Hauch von Unsicherheit.
Bei der Verleihung des „Steiger Award“ im „Dortmunder U“ durfte ich dieses Lachen live erleben. So sehr sich auch Laudator Alfred Biolek auf der Bühne bemühte, Ihr Lebenswerk in Worte zu fassen: Mein Blick klebte förmlich auf Ihrem Gesicht, den wachen, strahlenden Augen, den sympathischen Lachfalten. Ihr Lächeln streichelte die Seele, sagte mehr als alle Worte. Es verriet uns, daß Sie Ihr Leben lieben, Ihre Leidenschaft immer der Schauspielerei gehörte und gehören wird, daß Sie die Anerkennung genossen haben. Es war das Lächeln einer Frau, die auch einen Tag nach ihrem 84. Geburtstag genau so viel Wärme ausstrahlt wie in den 50er Jahren, als sich die Regisseure in Berlin, Paris und Hollywood um sie rissen. Sie sind so witzig, wenn Sie beispielsweise erzählen, daß Sie eine Hüfte aus Titan haben, aber auch einen Gas-Fuß und deshalb jede Menge Knöllchen einsammeln. Sie sind so ehrlich, wenn Sie zugeben, daß Sie es in der Altersresidenz nicht ausgehalten haben und wieder in Ihre weiße Villa am Genfer See gezogen sind. Sie sind zu bescheiden, um damit zu prahlen, daß Sie vier Sprachen sprechen und sechs Bambis bekommen haben. Daß Sie nicht nur in komischen Rollen brillierten, sondern auch in ernsten, tragischen. Sie haben mit den ganz Großen Ihrer Zunft gespielt, mit Gustaf Gründgens, mit Jean Gabin. Sie führten und führen ein außergewöhnliches, ein luxuriöses Leben, um das Sie viele beneiden. Kaum einer weiß allerdings, daß Sie es anfangs auf sich nahmen, in München in einem zerbombten Hotel ohne Dach zu wohnen, um in Deutschland Karriere machen zu können.
 
Liebe Lilo Pulver,
Sie sind eine starke Frau. Sie ließen uns gemeinsam lachen, aber Ihren Schmerz wollten Sie nie teilen. Ihre Tochter Melisande nahm sich das Leben, Ihr Mann Helmut starb 1992 drei Jahre später an einem Herzinfarkt. In der Liebe hatten Sie nur selten Glück. Schwache Männer langweilten Sie, aber starken, meist verheirateten Männern waren Sie meist nicht mehr wert als einen Seitensprung. Wie Sie selbst sagen, waren Sie beileibe kein Superweib. Aber wir vergötterten Sie sogar in „Kohlhiesels Töchter“. Da spielten Sie nicht nur die reizende Liesel, sondern auch deren derbe Schwester Susi, einen unfrisierten Bauerntrampel. Es ist Ihr einzigartiger Charme, der unser Herz lachen läßt.
 
(26.10.2013)
 
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.

Redaktion: Frank Becker