Der Fragebogen

von Karl Lerbs

© 1957 Carl Schünemann Verlag
Der Fragebogen
 
Wer in New York eine Stellung als Irgendwas sucht und von der Hoffnung, sie zu finden, nicht lassen will, wird mit der Anzeigenvermittlung von J. Walther Thompson die besten Erfahrungen machen. Jedenfalls wird man ihn umsichtig und gegen geringe Gebühr nach den neuesten Errungenschaften der organisatorischen Wissenschaft behandeln. Insbesondere wird man ihn ein hoffnungsfreudig gefärbtes Karteiblatt ausfüllen lassen und ihm so die Gewißheit geben, daß er in den gewaltigen Kreislauf des Arbeitsmarktes sachgerecht eingeschaltet ist.

Der nette und frische junge Mann, der sich als Buchhalter zu verdingen gedachte, fand es leicht, die Fragen des Karteiblattes zu beantworten. Name? Anschrift? Alter? Geburtsort? Beruf? - das alles ließ sich rasch und geläufig ausfüllen. Dann aber kam eine Spalte, vor der die Füllfeder des netten und frischen jungen Mannes einen entsetzten Sprung machte. „Sex“ stand da - „Geschlecht“.

Der junge Mann, uneingedenk der Tatsache, daß man aus amerikanischen Vornamen nicht immer ohne weiteres die Geschlechtsangehörigkeit des Trägers entnehmen kann, mißdeutete die Frage. Er errötete heiß. Er zögerte. Das Bluterbe puritanischer Ahnen wallte in ihm auf. Aber er war zur Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit erzogen. Also schluckte er Scham und Empörung mannhaft hinunter, überwand sich mit einem Ruck und gab in seiner netten und frischen Handschrift ordnungsgemäß die nach seiner Meinung verlangte genaue Auskunft: „Zuweilen.“
 
 
 
Karl Lerbs