Geballte Frauenpower - überzeugend unterhaltend

„Wonder Woman“ von Patty Jenkins

von Renate Wagner

Wonder Woman
(USA 2017)

Regie: Patty Jenkins
Mit: Gal Gadot, Chris Pine, Danny Huston, David Thewlis, Connie Nielsen, Robin Wright, Eugene Brave Rock, Elena Anaya, Rainer Bock, Ewen Bremner u.a.
 
Irgendwann mußte ja auch sie als Titelheldin auf die Leinwand kommen, gilt doch „Wonder Woman“ unter den – gar nicht so zahlreichen – weiblichen Comic-Heldinnen als die größte. Dabei war der Vorgänger-Film im Vorjahr, „Batman v Superman: Dawn of Justice“, wo die Dame als Love Interest von Batman eine kleine Rolle spielte, die reinste Enttäuschung. Umso überraschender, wie gut nun ihr „Soloauftritt“ ausgefallen ist.
Was wohl auf geballte Frauenpower zurückgeht – Regisseurin Patty Jenkins (die bisher nur einen erfolgreichen Krimi – „Monster“, 2003 mit Charlize Theron – und eine Menge Fernsehen gemacht hat) hat für diese Verfilmung ein goldenes Händchen bewiesen. Der Comic-Mythos wurde zur Komödie, mehr noch: zum feministischen Märchen. Sehr, sehr hübsch.
 
Wonder Woman, 1941 von dem Ehepaar William Moulton Marston und Elizabeth Holloway Marston geschaffen, hält sich in diesem Filmdrehbuch an das Original, wobei allerdings unterstellt wird (wenn sie Kriegsgott Ares am Ende „Bruder“ nennt), daß auch sie ein Töchterchen von Zeus ist, gezeugt mit der Amazonenkönigin Hippolyta – ja, die, die auch in Shakespeares „Sommernachtstraum“ vorkommt…
Als Tochter der Königin wächst sie auf der Insel Themyscira auf, die sich wie eine herrliche Mischung aus Amalfi-Küste (wenn man aufs Meer sieht), Kreidefelsen und üppiger Landschaft mit griechischen Tempeln ansieht. Die Optik des Films ist extrem gefällig, auch wenn es in die Welt des Ersten Weltkriegs geht: reizvolle Nostalgie auf allen Ebenen.
Nach kurzer Rahmenhandlung, die uns zeigt, daß die elegante Dame heutzutage offenbar im Pariser Louvre arbeitet, ist man also auf der mystischen Insel. Da lebt die kleine Diane unter all den Amazonen, und die besorgte Mutter (Connie Nielsen als Hippolyta) will möglichst alles von ihr fernhalten, aber Tante Antiope besteht vernünftigerweise darauf, daß das junge Mädchen den Gebrauch der Waffen lernt. (Robin Wright, in der man einfach nur noch die „House of Cards“-Präsidentengattin sieht, versucht sich hier erfolgreich im schroffen Amazonen-Duktus.) Die weiblichen Kampfszenen auf der Insel, von den Martial Arts-Filmen des Fernen Ostens inspiriert, sind geradezu ein Vergnügen ästhetisch-weiblichen Gerangels.
Bis dann mit dem 20. Jahrhundert auch die Komik überhand nimmt: Es bedurfte schon der Unverfrorenheit der frühen Comic-Gestalter, in die griechische Antike und Mythologie einfach den Ersten Weltkrieg einbrechen zu lassen, zuerst in Gestalt eines britischen Spions, dann mit einer Legion böser Deutscher im Gefolge. Da ist Diana, mittlerweile erwachsen, schon klar, daß für das Schlamassel nur der Kriegsgott Ares zuständig sein kann – und daß sie dem Menschenmann da folgen muß, um Ares zu bekämpfen.
 
Hier zeigt sich bereits, daß ein Hauptteil der komischen Handlung bei dem Briten Steve Trevor liegt, der sich schließlich damit abfinden muß, daß er jetzt eine Amazone im Schlepptau hat: Chris Pine, der nach eineinhalb Jahrzehnten durchschnittlicher Filme erst im Vorjahr mit „Hell or High Water“ wirklich auf sich aufmerksam machte, liefert eine vergnügliche Meisterleistung männlicher Verwirrtheit angesichts von so viel weiblicher Persönlichkeit – und darf dennoch ein „Held“ wie aus dem (Comic-) Bilderbuch sein. Schön.
Wenn man denn in London ist, wird es immer komischer – wie wandelt man eine Amazone in eine scheinbar „normale“ Frau um, die im übrigens ununterbrochen ihre Kulturschocks verarbeiten muß (ein bißchen wie Crocodile Dundee in New York…). Allein die Besuche im Modehaus, unterstützt von der drolligen Sekretärin Etta (die rundliche Lucy Davis), machen herzhaft lachen, bis Diana im Sufragetten-Look ganz hinreißende Figur macht.
Bis sie dann ihr Wonder Woman-Kostüm anlegt, losfliegt (das kann sie nämlich, genau wie Superman) und ganz heftig die Bösen bekämpft, vergeht einige Zeit, und die Handlung wird auch eher stereotyp, aber heiter bleibt es immer. Auch wenn die „bösen Deutschen“ eben wirklich wie Comic-Bösewicht-Figuren erscheinen: Danny Huston als ruchloser Ludendorff, die Almodovar-Schauspielerin Elena Anaya als bitterböse deutsche Ärztin, die an tödlichem Gas arbeitet (was natürlich etwas Beklemmendes hat, wenn man einen Krieg weiter denkt…) und in einer Mini-Nebenrolle erkennt man auch Rainer Bock bei den Deutschen…
Um ja politisch korrekt zu sein, schickt man Steve Trevor (treu gefolgt von unserer Kämpferin) mit den richtigen Begleitern nach Belgien, um die deutsche Giftgas-Fabrik zu vernichten: Neben einem Indianer (Eugene Brave Rock) und einem komischen Schotten („Trainspotting“ Ewen Bremner) ist ein Türke (der marokkanisch-stämmige Saïd Taghmaoui) ein besonders witziger Aufputz…
Auf der Seite der Briten tritt dann noch aus britischer Seite David Thewlis als ein gewisser Sir Patrick auf, der später eine Überraschung bereit hat. Das Show-Down-Ende erst trägt der Tatsache Rechnung, daß ein Kinopublikum von Comic-Verfilmungen auch viel Krach, Zerstörung und Feuersbrünste erwartet…
 
Hollywood setzt bei seinen jüngsten Hauptdarstellerinnen nicht auf prominente Namen, sondern auf attraktive Exotik: So spielte eine bildschöne Algerierin „Die Mumie“ (so lange man sie halt in den Rückblenden schön sein läßt), und für Wonder Woman gab man einer Israelin die Chance – was zwar dazu führte, daß mehrere arabische Staaten auf den Film verzichteten, aber das wird bei den Millioneneinnahmen, die schon lukriert wurden, nicht ins Gewicht fallen.
Gal Gadot, ehemalige „Miss Israel“, hat nicht nur den Vorteil, daß ihr zwei Jahre bei der israelischen Armee eine höchst überzeugende „Körperlichkeit“ in den Kampfszenen verleihen – sie ist auch mehr als nur hübsch: Sie ist wirklich und wahrhaftig lebendig, keine herumstehende schöne Puppe, sondern eine Frau mit Ausstrahlung, Charme, Überlegenheit und Witz, also alles, was den ganzen Film kennzeichnet. Sie bringt die ganzen Gutmenschen-Argumente, die Diana in eine verrottete Kriegswelt wirft, mit geradezu unschuldiger Überzeugungskraft (und immer mit einem Lächeln im Knopfloch) an – und macht sich, wenn die Frau zur Kämpferin mutiert, nicht lächerlich. „Wonder Woman“ ist ganz ungeheuer weiblich – aber zweifellos von der Art, wie man nicht nur Frauen zufrieden stellt, sondern auch Männer einfängt (unsere Amazone hat da ein ganz besonderes „Lasso“ dafür…).
 
Darüber hinaus ist der Film ganz einfach gestrickt: die Handlung entwickelt sich klar und übersichtlich, hat wenig Drehungen und Wendungen (und auch wenige Überraschungen), und dem Publikum wird in kurzen Dialogen gleichsam die Welt erklärt… Aber das Charisma der Hauptdarsteller und die lockere Machart sind so stark, daß man von „Wonder Woman“ so überzeugend unterhalten wird, wie schon lange nicht mehr von einem Film dieses Genres.
 
 
Renate Wagner

Redaktion: Frank Becker