Feed your head oder The Wind in the willows

„Younger Than Yesterday“ - 1967 als Schaltjahr des Pop

von Frank Becker

Feed your head
oder
The Wind in the willows
 
1967 – Ein Popmusik-Jahr
unter der Lupe der Literaturwissenschaft
 
Die Jahreszahl ist magisch – was auch Nachgeborene wie das Autoren/Herausgeber-Trio Antonius Weixler, Gerhard Kaiser, Christoph Jürgensen reizt, sich mit diesem nicht nur Pop-kulturellen Wendepunkt – sie nennen es ein Schaltjahr – zu beschäftigen. Es war natürlich kalendarisch keins, im Gegensatz zu 1968, dem ich übrigens weit mehr Magie zumesse als 1967, wenn das auch 2017 an allen Ecken gefeiert wird, weil die da Beatles ihr geniales Album „Sgt. Peppers Loneley Hearts Club Band“ vorgelegt haben, die Beachboys „Pet Sounds“, die Rolling Stones „Their Satanic Majesties Request“, Bob Dylan „John Wesley Harding“, The Who „The Who Sell Out“ und The Doors „The Doors“ mit dem magischen „Light My Fire“. Na und weil Paul McCartney und Brian Wilson ihr 75. Lebensjahr vollenden. Aber die drei Literaturwissenschaftler nutzen bereits ihr erfreulich knappes Vorwort dazu, sich flugs von einem Jahreszahlen-Mystizismus zu distanzieren. Das ist doch schon mal aller Ehren wert. Ja so weit sind wir schon, daß sich gerade mal 50 Jahre nach ein paar populären Pop-Alben die Wissenschaft auf Hintergründe, Texte und politisch-soziale Zusammenhänge stürzt.
 
Mit einem deutlich hoch motivierten Team aus Personen mit überwiegend ebenfalls akademischem Hintergrund, auf jeden Fall aber von eklatanter Sachkenntnis haben die drei unter dem Titel „Younger Than Yesterday“ - 1967 als Schaltjahr des Pop eine musikalisch-literarisch-soziologische Analyse dieses Kernjahrs der Popmusik auf die Beine gestellt. Im psychedelisch gestalteten Buchumschlag verpackt, jedoch wissenschaftlich, gelegentlich auch mit hintergründigem Humor ausgestattet, vergleichen und analysieren die Autoren eingehend Text- und Publikation. Sie folgen sie den Spuren von Velvet Underground, Pink Floyd, Jimi Hendrix, David Bowie, The Doors, Grateful Dead, Bob Dylan, The Byrds, Aretha Franklin, Jefferson Airplane, The Beach Boys und, na klar, den Beatles: „The inner groove of Sgt. Pepper“. Denn um dieses phantastische Album kommt keiner rum, der sich ernsthaft mit der Pop-Kultur und der Soziologie von 1967 und den Folgen auseinandersetzen möchte. Moritz Baßlers Schluß-Kapitel „In der Raupenbahn“ (mit dem gräßlich trockenen Untertitel „1967, die neuen Pop-Paradigmen und ihre Rezeption in Deutschland“) lockt am Ende doch ein Schmunzeln hervor.
Es ist unter dem Strich schließlich doch ein überwiegend recht wissenschaftliches Werk geworden, dessen Informationswert für Fachleute und Sammler hoch, sein Unterhaltungswert für Laien allerdings gering ist, sicher auch dadurch, daß es absolut keine Illustrationen zur visuellen Information hat. Wissenschaftler eben.
 
„Younger Than Yesterday“ - 1967 als Schaltjahr des Pop
Antonius Weixler, Gerhard Kaiser, Christoph Jürgensen (Hrsg.)
Mit Beiträgen von Frank Kelleter, Frieder von Ammon, Ingo Irsigler, Niels Penke, David-Christopher Assmann, Moritz Baßler, Heinrich Detering, Anja Rützel, Vea Kaiser, Frank Witzel.
© 2017 Wagenbach Verlag, 256 Seiten, Klappenbroschur, mit 16 Seiten Anmerkungen - ISBN 978-3-8031-3664-0
24,– €
 
Weitere Informationen: https://www.wagenbach.de