Die Spielzeit 2017/18 im Remscheider Teo Otto Theater (1)

Vorgestellt

von Christian Henkelmann

Dr. Christian Henkelmann
Foto © Nico Hertgen
Die Spielzeit 2017/18 im Remscheider Teo Otto Theater (1)

In einer vierteiligen Serie stellt Ihnen Remscheids Kulturdzernent
Dr. Christian Henkelmann in dieser Woche in den Musenblättern
das kommende Programm des Remscheider Teo Otto Theaters vor.


Verehrtes Publikum!
 
Bei meinem letzten Berlin-Besuch, als ich mit der Komödie am Kurfürstendamm darüber verhandelte, Tennessee Williams‘ Theaterklassiker „Die Glasmenagerie“ (24.2.18) nach Remscheid zu holen (Inszenierung: Katharina Thalbach; in den Hauptrollen: ihre Tochter Anna Thalbach und Enkelin Nellie), las ich ein Graffiti in der Nähe des Tempodroms, das ich mir notierte, weil ich es gleichermaßen originell wie bedenkenswert fand: „Wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen“.
Das Teo Otto Theater hat zu keinem Zeitpunkt den Kopf in den Sand gesteckt, sondern auch in der finanziell beengten Vorsaison seine Lebendigkeit und Vitalität bewiesen. Die Zuschauer sind diesen Weg voll mitgegangen. Auch die Politik hat sich besonnen und die finanziellen und damit programmatischen Spielräume des Theateretats wieder erweitert. Von daher gilt mein ausgesprochener Dank dem unverminderten Zuspruch des treuen Publikums und der kommunalpolitischen Unterstützung des Theaters über alle Parteigrenzen hinweg!
 

Die Glasmenagerie , Nellie Thalbach - Foto © Barbara Braun

Erfreulich ist auch die zunehmende Zuschauerresonanz in der Sparte Schauspiel, wo viele Theater in NRW starke Rückgänge zu verzeichnen haben. Für die Schauspielsaison 2017-2018 haben wir Ihnen wieder einige der besten und interessantesten Inszenierungen aus Deutschland anzubieten. Die Saison startet mit Michael Quast und Philipp Mosetter dem die Stadt Frankfurt am Main mit der „Fliegenden Volksbühne“ ein eigenes Theater zuerkannt hat: Quast und Philipp Mosetter bieten einen entstaubten „Schiller – Verrat, Verrat, und hinten scheint die Sonne“ (7.9.17). Geistreich, witzig, hochaktuell. Ein weiterer Klassiker beschäftigt uns am 15. November 2017 mit „Der Kaufmann von Venedig“ (Uraufführung 1604). Es ist das politisch umstrittenste Stück von William Shakespeare. Ein berüchtigter Rachethriller über einen Juden, der einem Christen Geld borgt und der, als dieser zahlungsunfähig wird, das Messer wetzt, weil der Vertrag, den sie abgeschlossen haben, dem einen das Recht gibt, dem anderen ein Pfund Fleisch aus dem Leib zu schneiden. Von den Nazis wurde es als antisemitisches Propagandastück missbraucht, doch kann man den Text auch ganz anders lesen, wenn man sich auf eine Zeitreise ins London der Shakespeare-Zeit und das Venedig der Dogen und ersten Ghettos begibt. Die Inszenierung sowie die Darstellung der Figur des Shylock als jüdischer Schurke jedenfalls bleiben eine Herausforderung für Regisseure und Schauspieler. Unabhängig davon ist es ein famoser Genre-Mix: ein Gegenwartsstück aus London, das in Venedig und einem fiktiven Belmont spielt. Ein Justizdrama über eine als Anwalt verkleidete Frau, die ein ganzes Gericht aufmischt und mit einem juristischen Trick den verfahrenen Prozess komplett umdreht. Und eine romantische Komödie über die Kinder der High Society, die sich mit teuren Masken- und Heiratsspielen zynisch oder hilflos vergnügen. Gerade die richtige Herausforderung für eine der besten deutschen Theaterkompagnien: Roberto Ciulli und das Theater an der Ruhr.


v.l.: Gerald Karrer, Bele Turba - Die Orchesterprobe  - Foto © Oscar Henn
 
Eine tränentreibende Klamauk-Komödie gibt es zur Einstimmung auf Silvester am 31. Dezember 2017, von Kurt Tucholsky als „Höllentanz der Vernunft um beide Pole des Irrsinns“ beschrieben: „Die Orchesterprobe“ von Karl Valentin mit Gerald Karrer als Karl Valentin, Bele Turba als Liesl Karlstadt und Musikern des „Europäischen Katastrophenorchesters“. Ständig unterbricht und provoziert der aufmüpfige ‚schlechteste‘ Musiker den Vorstadtkapell- meister und bringt diesen zur Verzweiflung. Nichts klappt und das aufs Schönste! In der Zwischenzeit übt sich das Orchester herrlich schräg durch unsägliche Kostproben schwungvoller und skurriler Musik. Ein wunderbar groteskes Gefecht zwischen Taktstock, Maßkrug und Geigenbogen – ein Großangriff auf die Lachmuskeln! Aufgestiegen aus den Katakomben des Hofbräukellers wurde die Produktion im Münchner Prinzregententheater uraufgeführt und mit hervorragenden Kritiken, ausverkauften Auftritten und stehendem Applaus bedacht. Viele von Ihnen, liebe Freundinnen und Freunde des Theaters, werden solch herrliche Aussprüche von Karl Valentin kennen wie z.B.: „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“, „Mögen hätt‘ ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.“ Und nicht zuletzt: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“.
Als weitere Top-Komödie haben wir im Programm von Marc-Uwe Kling: „Die Känguru-Chroniken - Ansichten eines Beuteltiers“ (13.3.18), wo der Autor mit dem sprechenden Tier eine ungewöhnliche Wohn- gemeinschaft eingeht und Gespräche über Gott und die Welt führt. Da das Känguru keiner geregelten Arbeit nachgeht und auf die Frage danach lediglich antwortet: „Ich bin Kommunist! Was dagegen?“, kommt der Autor auch für den Lebensunterhalt des Kängurus auf. Gespräche über Sex und Männer, Lust und Liebe, Sicherheit und Leidenschaft, führen drei beste Freundinnen in der Komödie „Liebeslügen oder Treue ist auch keine Lösung“ (4.5.18). Die Schauspielerinnen Anke Fiedler, Caroline Kiesewetter und Jasmin Wagner stellen Fragen wie: Ist Fremdgehen eine Impulskontrollstörung? Oder ist der Anspruch auf Treue der Ruin einer modernen Beziehung? Fragen, die frau am Besten mit der einen oder anderen Liebeslüge beantwortet. Oder? Ildikó von Kürthy, mit einer Gesamtauflage von mehr als sechs Millionen Exemplaren erfolgreiche Romanautorin, hat mit der Beziehungskomödie „Liebeslügen“ ihr erstes Theaterstück auf die Bühne gestellt, welches 2016 am Hamburger Ernst Deutsch Theater zur Uraufführung kam.


Vater: Ernst Wilhelm Lenik, Irene Christ - Foto © Sabine Haymann

Die Bühne gehört aber auch dem Ernst des zeitgenössischen Lebens. Die Schauspielbühnen Stuttgart, Altes Schauspielhaus, die auch in unserem Theater mit der Theatralisierung der „Blechtrommel“ bereits einen fulminanten Erfolg verbuchen konnten, bringen mit
„Vater“ von Florian Zeller ein aufwühlendes Stück auf die Bühne des Teo Otto Theaters über einen alten Mann, der an Alzheimer erkrankt ist. Klingt nach einem traurigen Theaterabend? Das Gegenteil ist der Fall. Zellers Tragikomödie provoziert das Lachen. Die komödiantische Dynamik ergibt sich aus den abrupten Stimmungsschwan- kungen der Hauptperson. Denn das Publikum erlebt die Handlung nicht chronologisch, sondern aus der Erlebniswelt des 80jährigen. Durch diesen Trick des französischen Erfolgsautors Florian Zeller wird der Zuschauer emotional an die Hauptperson gebunden, erlebt mit ihr dieselben Momente des Glücks, teilt mit ihr die Momente des Ausgeliefertseins, erfährt mit ihr die unbegreifliche Veränderung von Personen und Dingen und kann wie sie immer weniger unterscheiden: Was ist Realität, was Wahn- oder Wunschvorstellung, was Halluzina- tion oder fixe Idee? In seinem internationalen Erfolgsstück stellt Zeller die Frage nach der Verantwortung der Generationen, thematisiert das Pflegen naher Angehöriger sowie den schmerzhaften Moment, vom eigenen Vater nicht mehr erkannt zu werden.


Lesen Sie morgen und an den folgenden Tagen die weiteren Teile dieser informativen Spielzeitpräsentation
Kontakt:
theaterkasse@remscheid.de  -  Bestellungen: www.teo-otto-theater.de

Redaktion: Frank Becker