Ohrenreise

Nora Gomringer & Philipp Scholz – „Peng Peng Peng“

von Frank Becker

Ohrenreise
oder
Wer braucht eigentlich Einhörner?
 
Daß den Texten Nora Gomringers die Lesung durch die Dichterin selbst äußerst bekommt, habe ich an dieser Stelle schon angelegentlich bemerkt. Schließlich weiß sie am besten, was ihrer Dichtung angemessen ist, und ein anderer könnte das kaum erfüllen. Daß es aber auch Texten anderer Autoren bekommt, wenn sie Nora Gomringer in die Hände, will sagen in die Sprache geraten, belegt ein Hörbuch bei Voland & Quist, das neben etlichen ihrer eigenen bisher unveröffentlichten auch Texte von Ernst Jandl, Dorothy Parker, Kurt Schwitters, Eugen Gomringer, Selma Meerbaum-Eisinger und Heinrich Heine präsentiert. Nora Gomringer läßt sich beim Vortrag von Philipp Scholz mit Schlagzeug und Perkussion begleiten, eine zugegeben originelle, überwiegend passende, ja witzige, gelegentlich aber ein wenig zu aufdringliche Idee.

Aber richten wir unser Augen nein, Ohrenmerk auf Nora Gomringers neue Texte, aus deren abwechslungsreicher verbaler Landschaft einer mit 21:45 Minuten monolithisch und episch herausragt: „Gang mit Hermelin“ – ein kunstvoll gedrechseltes Kabinettstück von opulenter sprachlicher Delikatesse. Dieses Hermelin aus der Gattung der Mustela kreuzt den Weg der Erzählerin während einer von ihr sorgfältig geplanten und sorgsam vorbereiteten Wanderung, begleitet sie ein Stück des Weges - und es spricht zu ihr. Tiere können nicht sprechen, wenden Sie im Einklang mit dem Text (2:20) ein? Nun ja, eigentlich nicht, dies Hermelin doch, lispelnd, höflich, gesetzt. Und das ist ein Segen, denn dem Dialog zwischen beiden (sowohl als auch nebst Erzählerin von Nora Gomringer verkörpert), begleitet von dramatisierenden Xylophon-Klang-Effekten, wohnt ein großes Maß an sprachlichem wie gedanklichem Witz inne. Bald endet die gemeinsame Wegstrecke, alles könnte letztlich doch nur ein Traum, das Ergebnis überreizter Nerven gewesen sein. Doch dann rückt ein Lächeln alles gerade.
Drumherum Miniaturen über Heimat und Erinnerung, Kindheit, Hunde und Soziales. Stücke die Nora Gomringers Geister beschwören – nicht vergessen lassen. Besonders köstlich eine Kontrafraktur über Kinderbücher: „Kindergeschichte“ und ihr ironischer Blick auf das tägliche Brot des Autors, die Lesung,
Aber noch mal zurück zum Hermelin. Denn nach diesem Stück erhebt sich doch zu Recht die Frage: Wer braucht eigentlich Einhörner?
 
Nora Gomringer & Philipp Scholz – „Peng Peng Peng“
© 2016 Voland & Quist
Nora Gomringer (Text und Vortrag) – Philipp Scholz (Schlagzeug, Perkussion, Glasharfe, Xylophon…)
 
1. Wie soll ich das beschreiben - 2. Geschichte vom Hund - 3. Vielmals - 4. Gang mit Hermelin - 5. Heimat - 6. Tobias - 7. Berliner Liegewiesenmädchen beschreibt die Umstände – 8. Geister vergessen - 9. Kindergeschichte - 10. Perfektion (Ernst Jandl) - 11. Frustration (Dorothy Parker) - 12. Du unbekannte Frau (Kurt Schwitters) - 13. Kein Fehler im System (Eugen Gomringer) - 14. Die Häuser der I-Ging (Eugen Gomringer) - 15. Avendidas (Eugen  Gomringer) - 16. Schlaflied für die Sehnsucht (Selma Meerbaum-Eisinger) - 17. Sie saßen und tranken (Heinrich Heine) - 18. Was wirklich geschieht
Gesamtzeit: 57:13
 
Weitere Informationen:  www.voland-quist.de  -  www.nora-gomringer.de