Ihre beste Stunde –
Drehbuch einer Heldin (Their Finest - GB 2016) Regie: Lone Scherfig
Mit: Gemma Arterton, Sam Claflin, Bill Nighy, Hilliard, Jeremy Irons, Rachael Stirling, Helen McCrory u.a. Man weiß, daß der Zweite Weltkrieg im Rückblick für die Briten eines ihrer „Heldenzeitalter“ war: Die Tapferkeit, mit der die Bevölkerung den „Blitz“ (die deutschen Bombardements) durchgehalten hat, die Solidarität, mit der man unter Churchills Führung zusammen stand, und letztendlich das Bewußtsein, mit der gerechten Sache gesiegt zu haben – ja, das ist ihre große Zeit, über die es schon eine Menge Filme gegeben hat.
Nun drehte die dänische Regisseurin Lone Scherfig nach dem Roman „Their Finest Hour and a Half“ von Lissa Evans einen Film, der vieles bringt und vieles will, vielleicht mehr, als man gleichzeitig in eine Geschichte hineinstopfen kann. Keinesfalls will die Regisseurin vergessen, daß das Jahr 1940 für die Briten eine grausame Zeit war, die viele Menschenopfer kostete (dieser Tatsache opfert sie zum Kummer der Besucher, mehr noch der Besucherinnen auch das Happyend für die Heldin). Vor allem aber wollte sie eine parodistische Komödie drehen – eine, die sich ums Filmemachen dreht.
Nun weiß man ja, mit welch eisernem Griff zur gleichen Zeit Goebbels die deutsche Filmindustrie in der Hand hatte, um die Bevölkerung nicht nur durch Ablenkung zu unterhalten, sondern ununterbrochen mehr oder minder unterschwellige Kriegspropaganda zu betreiben. Aber – cosi fan tutte, die Amerikaner machten es nicht anders und die Briten erst recht nicht.
Erzählt wird die Geschichte von Catrin Cole, früher in der Werbebranche tätig, die in der Filmwelt als Drehbuchschreiberin anheuert. Die Herren, die zuständig sind – nicht nur die Filmgewaltigen, sondern auch die Politiker, die ein genaues Auge auf die Filme werfen -, wollen auch den „weiblichen Blick“ auf das Kriegsgeschehen. Mit großen Augen spielt Gemma Arterton perfekt die liebenswerte, kluge Superfrau, die sich dennoch nie vordrängt – und natürlich das Herz des Kollegen Tom Buckley gewinnt, der anfangs nicht so begeistert war, daß er da mit einer Frau zusammen arbeiten muß… (Sam Claflin).
Das erwünschte Filmthema ist aus dem damaligen Leben gegriffen: Die Engländer haben den Schock von Dünkirchen gerade hinter sich (die Deutschen hatten sie eben in dieser Schlacht in Frankreich besiegt, aber den Briten gelang es, den Großteil ihrer Soldaten zu evakuieren und zu retten) – das soll nun nicht nur ein prächtiger Durchhalte-Film werden, sondern auch noch die Amerikaner bewegen, möglichst schnell in diesen Krieg einzusteigen (woran sie ja vor Pearl Harbour nicht zu bewegen waren).
Dazu werden nicht nur Superfrauen erfunden, sondern auch Helden, die auf der englischen Seite kämpfen, um die Amerikaner zu motivieren – es ist überaus amüsant, wie an einem kitschigen Drehbuch, nur auf Effekte und Manipulation ausgerichtet, gebastelt wird, wobei Catrin und Tom sich zusammenraufen und ein paar Nebenfiguren ganz klug Farbe geben – es darf auch eine ganz patente, selbstbewußte, aber immer sympathische bekennende Lesbe dabei sein, damals! (Gespielt von Diana Riggs Tochter Rachael Stirling.) Oder eine tüchtige Agentin (herrlich: Helen McCrory), die meint, es könne nichts schaden, einem eitlen alten Star nicht immer zu schmeicheln, sondern auch einmal ein paar Wahrheiten zu sagen. Kurz, die englischen Frauen im Krieg waren, man sieht es, enorm tüchtig, und sie schafften das, ohne sich penetrant emanzipatorisch zu geben.
Aber der alte, eitle Star ist natürlich der Höhepunkt des Films, der großartige Bill Nighy spielt die Skala darstellerischer Virtuosität hinauf und hinunter und bleibt dennoch ein wunderbarer, echter Mensch – allein um seinetwillen ist der Film ein Muß für alle, die sich an großer Schauspielkunst ergötzen. Dazu trägt auch Jeremy Irons ein – leider nur winziges – Scherflein bei, wenn er als Staatssekretär für Kriegsfragen Shakespeare zitieret, die große, aufrührende Rede des Heinrich V. vor der Schlacht, St. Crispin’s Day! Kurz, aber kostbar!
Wie die Welt des Films sich hier entfaltet, macht den besonderen Reiz des Streifens aus. Daß, wie gesagt, die Tragik des allgegenwärtigen Todes nicht ausgeblendet wird… das sorgt dafür, daß die schöne Geschichte nicht billig wird. Sie hat nur einen Fehler – sie ist zu lang. Nach der großen Tragödie geht es weiter und weiter, auch wenn man es gar nicht mehr weiter sehen will…
Renate Wagner
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