Humbug an der Spritze

von Hanns Dieter Hüsch

Foto © Paul Maaßen
Humbug an der Spritze

Sie wissen ja
Daß ich viel unterwegs bin
Manchmal jeden Tag woanders bin
Große Städte kleine Städte
Welt-Dörfer und Provinz-Metropolen
Mittelalterliche Flecken
Renaissance-Plätzchen
Berge von Fachwerk Haufen von Zinnen und Kuppeln
Dome und Dächer
Tore und Türme
Und dann Museen und Stadtmauern und und und
Und in letzter Zeit ist mir aufgefallen
Daß mir ständig Menschen in den Ohren liegen und fragen:
Haben Sie denn in unserer Stadt schon was gesehen?
Ach Sie sind wohl gestern Abend erst im Dunkeln angekommen
Dann können Sie ja heute im Hellen noch einiges
Angucken
Gerade morgens ganz früh ist Humbug eigentlich am schönsten
Aber Elisabeth
Sagt dann der Gatte
Laß ihn doch erst mal selbst
Obwohl Humbug ist wirklich früh morgens am schönsten
Da hat sie recht
Wenn Sie so morgens zwischen sieben und acht
An der Spritze entlang gehen
Weiß man sofort daß man sich auf der Straße der Hohenstaufen
Befindet
Durch Humbug an der Spritze ist ja bekanntlich
Friedrich II von Staufen nachts heimlich
Hindurchgeritten
Die Pferdehufe waren mit Tuch umwickelt
Damit man die Anzahl der Reiter nicht erkennen konnte
Ach sage ich
Ja das war hier in Humbug an der Spritze
Also mein Lieber
Wenn Sie Zeit haben aber Sie haben ja keine Zeit
Nein sage ich ich kann nicht zween Herren dienen
Und will es auch nicht
Auch wenn mein Lieblingskaiser Friedrich Il
Von Hohenstaufen
Zehnmal durch Humbug an der Spritze geritten ist
Wenn ich mal richtig frei hab
Komm ich gern mal auf einen Schluckauf vorbei
Und sehe mir den Fettfleck auf der Burgmauer an
Wo Hugo Franz von Espenlaub sein Schmalzbrot
Vor den Raubrittern versteckt hielt
Und ich gehe auch gern mit Ihnen auf den alten hysterischen
Marktplatz
Wo seinerzeit Jakob der Käfer mit Rudolf dem Schlauch
Beim Pferdestechen um das Taschentuch der Sybille von
Sauerkraut raufte
Und dabei bekanntlich den linken Fuß verlor
Der heute mit Blei aufgewogen im Stadtmuseum
Zwischen 10 und 17 Uhr zu sehen ist
Vielleicht ist ja morgen nach dem Frühstück
Noch ein Minütchen drin
Sie wohnen ja im „Goldenen Kalb“ und von da aus sind es
Wahrhaftig nur zwei Minuten zum „Kniefall“
Sie wissen was das ist?
Ich hab keine Ahnung
Der „Kniefall“ das ist die Stelle
Wo Ernfried von Glaubensdingen
Vor seinem zukünftigen Schwiegervater
Albrecht von Ofenbank einen Kniefall machte
Und um die Hand seiner Tochter Ortrude von Ofenbank anhielt
Ach sagte ich
Er hat dann ja später noch vierzehn Kniefälle gemacht
Immer an derselben Stelle
Aber aus den beiden ist nichts geworden
Schade sagte ich
Jammerschade
Aber auch daß Sie nie Zeit haben
Sich Humbug an der Spritze anzusehn
Ist auch eigentlich eine Schande
Natürlich sagte ich
Vielleicht beim nächsten Mal.
 
Hanns Dieter Hüsch
 


© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Das Foto stellte freundlicherweise Paul Maaßen zur Verfügung.