Den kurzen Spaß kann man sich geben

„The Party“ von Sally Potter

von Renate Wagner

The Party
(GB 2017)

Regie: Sally Potter
Mit: Kristin Scott Thomas, Timothy Spall, Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cherry Jones, Emily Mortimer, Cillian Murphy u.a.
 
Dieser Film ist in manchem ungewöhnlich. Er ist sehr kurz – mit 71 Minuten spürbar unter normaler Spielfilmlänge, aber, man gibt es zu, genau richtig im Umfang. Offenbar wollte Drehbuchautorin / Regisseurin Sally Potter ihre Geschichte einfach nicht aufblasen und strecken, sondern so knapp und prägnant halten, wie es die auf pointenreichem Dialog ruhende (oder bewegte) Handlung verlangt. Im übrigen ist der Film schwarzweiß, was ihm eine eigene nostalgische Note gibt. Und wenn gleich zu Beginn auf das Klingeln der Hausglocke Kristin Scott Thomas die Türe aufreißt und mit der Pistole in die Kamera zielt (man weiß nicht, wer ihr Opfer sein soll) – dann fühlt man sich wie in einem herrlich altmodischen Krimi der vierziger Jahre. Und noch ungewöhnlich: Als sei es ein Theaterstück (es kann durchaus einmal auf Bühnen landen), wird die Einheit von Zeit, Ort und Handlung gewahrt.
 
Die Rückblende, die am Ende wieder zu dieser Schlußszene führt, zeigt ziemlich genau, worum es geht: eine durch und durch satirische Gesellschaftskomödie, die Gegenwartsbefindlichkeit, Gegenwartsgelabere, Gegenwartsbeziehungskisten aufs Korn nimmt. Und das wird an einer Fülle exzentrischer, aber keinesfalls unglaubwürdiger Figuren herrlich ausgesponnen.
Da ist Janet (Kristin Scott Thomas, die im Lauf des Films viel durchmacht und mit furiosem Humor durchs Geschehen fährt), die eben im heutigen England zur Gesundheitsministerin ernannt worden ist. Sie macht nicht auf große Dame, die paar Salate für die Party unter Freunden, die dazu kommen wollen, macht sie selbst. Ihr Gatte, der Uni-Professor (prächtig: Timothy Spall), steht der ganzen Sache anfangs spürbar teilnahmslos gegenüber – und daß Janet zwischendurch immer wieder am Handy mit einem Liebhaber flüstert, wird schon klar.
Ihre Freundin April (Patricia Clarkson hat die besten, kaltschnäuzigsten Dialogpassagen) bringt ihren „Deutschen“ mit: Bruno Ganz, milde an der Seite der Spitzzüngigen trippelnd, die ihn dauernd heruntermacht, stellt sich später als Wellness-Guru heraus, wenn das gebraucht wird.
 
Nächste Gäste: ein lesbisches Pärchen, die alte Professorin Martha (Cherry Jones) und deren jüngere, aber nicht wirklich junge Freundin Jinny (die maulige Emily Mortimer), die mit dickem Bauch einem besonderen Ereignis entgegensieht (da schlägt das Potter-Drehbuch Purzelbäume): Sie wird nach künstlicher Befruchtung Drillinge bekommen, alle werden Buben sein, und die Idee macht die lesbische Gattin gar nicht so glücklich… Gott, können die Zicken streiten! Und die Heteros natürlich auch.
Als Drüberstreuer kommt noch der Banker Tom dazu (brillant in seiner Verzweiflung zappelnd: Cillian Murphy). Er zieht sich als Mutmacher im Klo Kokain hinein, jongliert heimlich mit einem mitgebrachten Revolver, der später in der Mülltonne landet und von Janet hervorgeholt wird, und nun wirbelt die Handlung wie verrückt herum.
Wenn der lethargische und, wie sich herausstellt, todkranke Gatte von Janet „erwacht“, erklärt er, den Rest seines Lebens mit einer anderen Frau verbringen zu wollen… dann ist diese ausgerechnet Toms Gattin Marianne (man bekommt sie nicht zu Gesicht, aber um sie dreht sich sehr viel!), wofür dieser kein Verständnis hat. Die Ministerin natürlich auch nicht. Irgendwann verbünden sich dann die Männer untereinander und die Frauen, wobei nicht alle so hetero sind wie man angenommen hat, und die Schlußpointe, die wirklich ein Knaller ist, will man natürlich nicht verraten…
 
Im Grunde ging es Sally Potter ja nicht um die fast schwankhafte Geschichte des Wer mit Wem (hat die Lesbe einmal mit einem Mann geschlafen, und wie unverzeihlich ist das nach Jahrzehnten?), sondern um den Denk- und Sprechkanon einer Gesellschaft, die in ihrer Künstlichkeit feststeckt. Intellektuelles Wortgeklingel und ganz elementare, primitive Gefühle, wenn’s ans Eingemachte geht, stehen einander da teuflisch witzig gegenüber. Und da die Besetzung zudem erlesen ist, kann man sich den kurzen Spaß schon geben.
 
 
Renate Wagner