Die Geschichte um Alberto Giacometti ist echt.

„Final Portrait“ von Stanley Tucci

von Renate Wagner

Final Portrait
(GB 2017)

Drehbuch und Regie: Stanley Tucci
Mit: Geoffrey Rush, Armie Hammer, Sylvie Testud, Tony Shalhoub, Clémence Poésy u.a.
 
William Turner und Claude Monet waren schon an der Reihe, ebenso Jackson Pollock und Basquiat und Picasso sowieso – Maler-Genies machen sich auf der Kinoleinwand einfach gut, weil sie konstitutionell vom „Normalen“ abweichen müssen und solcherart natürlich besonders interessant sind.
Nun hat sich US-Schauspieler Stanley Tucci im ambitionierten Doppelpack als Drehbuchautor und Regisseur (wenigstens spielt der nicht mit) den Schweizer Künstler Alberto Giacometti vorgenommen. Und ein amüsantes Künstlerporträt geliefert, dessen Substanz leider nicht über die ganze Filmlänge anhält.
 
Die zugrunde liegende Geschichte ist echt, zumindest hat sie der zweite Hauptbeteiligte literarisch festgehalten. Der Amerikaner James Lord, Journalist, Schriftsteller, Kunstkritiker, hielt sich 1964 in Paris auf und war mit dem damals schon sehr berühmten, ebenfalls dort lebenden Schweizer Künstler Alberto Giacometti – berühmt für seine „spindeldürren“ Plastiken – bekannt. Die Geschichte des Porträts, das Giacometti von Lord malte, hat dieser in einem eigenen Buch (auch auf Deutsch erschienen) niedergelegt. Man kann es als eine Studie archetypischen, nämlich gänzlich anarchischen Künstlerverhaltens nehmen.
Der 63jährige Giacometti (er starb zwei Jahrs später) lebte damals in seinem großräumigen Atelier mit Haus rundherum, umgeben von einem verständnisvoll resignierenden, nobel zurückhaltenden Bruder, einer schlecht behandelten, sich laut beschwerenden Geliebten, einer Prostituierten, auf die er versessen war und für die er ihrem Zuhälter hohe Summen zahlte, und schließlich einem Kunsthändler, der jedes Blatt des Berühmten teuer verkaufen konnte und das Geld bündelweise herbeibrachte.
Diese Umwelt ist nötig und wird von Stanley Tucci liebevoll ausgemalt, wobei Armie Hammer mit seinem glatten Gesicht der geduldige, der Kunst gegenüber so devote Amerikaner schlechthin ist, während Sylvie Testud für die pragmatische Französin und Clémence Poésy für die unbeschwerte Nutte ebenso Idealbesetzungen darstellen wie etwa Tony Shalhoub für den ruhigen Bruder.
 
Das ist das unabdingbare Milieu, aber im Grunde bilden die Sitzungen für das Porträt von James Lord, das damals entstand, das Zentrum des Geschehens. So einfach, wie ein Laie sich das vorstellt, war das natürlich nicht – obwohl Lord, geduldig da sitzend, schon nach wenigen Tagen fand, daß das Porträt eigentlich sehr gut und fertig sei. Ein Künstler sieht das anders, und man ist einige Zeit durchaus amüsiert von der Komplexität eines Schaffensprozesses, der nie Zufriedenheit findet und nie ein Ende kennen möchte (was Lord dazu zwang, seine Rückreise nach New York immer wieder zu verschieben, was ihm einigen Ärger einbrachte).
Freilich, ein wenig fraglich wird das Ganze natürlich auch – wo ist da künstlerische Verantwortung, wo rücksichtslose Willkür, wenn ein Künstler etwas scheinbar Fertiges dann immer wieder mit Weiß übermalt, um es erneut zu beginnen? So, wie Geoffrey Rush (der auch einige Ähnlichkeit mit dem Vorbild zeigt) in einem hinreißenden Furioso diesen wüsten Giacometti als fast komische Gestalt hinstellt, liegt die Vermutung nahe, dass Rollenspiel vor Echtheit steht (nicht bei Rush, sondern bei Giacometti), dass das lustvolle (und lukrative) Zelebrieren seiner Selbst zum eigenen Verständnis des Künstler-Ichs gehört. Bei Picasso (für den Giacometti kein gutes Wort hatte) war es schließlich nicht anders.
Künstler zu sein, wenn man es geschafft hatte (und jede hingeworfene Zeichnung dickes Geld brachte), war wohl nicht das Schlechteste, was einem passieren konnte… Dennoch würde man den Film nicht wirklich als kritisch, sondern letztlich als rührend-liebevoll beurteilen. Wenn er nicht – leider – im immer gleichen Agieren des großen Mannes so unendlich repetitiv wäre.
 
Trailer    
 
Renate Wagner