Krimi mit Milieu und Humor

„Logan Lucky“ von Steven Soderbergh

von Renate Wagner

Logan Lucky
(USA 2017)

Regie: Steven Soderbergh
Mit: Channing Tatum, Adam Driver, Daniel Craig, Katie Holmes, Hilary Swank, Riley Keough u.a.
 
Kaum zu glauben, daß hier derselbe Regisseur am Werk war wie jener, der einst einen hocheleganten George Clooney ausgeschickt hat, um in mehreren „Ocean“-Filmen an der Seite schöner Frauen große Casinos um ihr Geld zu erleichtern. Kaum hat Steven Soderbergh seine eigene Produktionsfirma gegründet, ist es aus mit den Gentlemen-Gangstern, dann macht er einen ganz anderen Film – man glaubt es kaum.
Sonderbergh, viel gelobt (von „Traffic“ bis zuletzt „Magic Mike“), aber auch immer wieder mit Fehlgriffen abgestürzt, ist nun nach einer längeren Pause wieder da. Zu einem Drehbuch von „Rebecca Blunt“ – sagen wir es gleich: Es hat sich herausgestellt, daß hinter diesem Pseudonym seine Frau steckt. Ein Familienunternehmen. Und elegant ist an „Logan Lucky“ absolut nichts – und so richtig spannend fällt das Verbrechen (ein Geldraub) auch nicht aus. Hier ging es offensichtlich um etwas anderes…
 
Wir sind im ländlichen West Virginia unter den armen Leuten. Zu Beginn wird Jimmy Logan entlassen, nicht durch eigenes Verschulden, der Arbeitgeber zuckt die Achseln. Channing Tatum, mit dem Sonderbergh vor fünf Jahren „Magic Mike“ gedreht hat, spielt den Durchschnitts-Wutbürger, der immer chancenlos zum Oper wird. Alles in seinem Leben läuft schief – die unliebenswürdige Ex-Frau (Katie Holmes, die Ex von Tom Cruise, sucht sich wieder kleine Rollen), will auch noch mit den Kindern weit weg übersiedeln.
Dann lernt man seinen Bruder Clyde (Adam Driver, das Gesicht ganz von dunklen Haaren umrahmt, was ihm etwas primitiv Affenartiges gibt) kennen: Nach dem Irak-Krieg einarmig, sieht man dennoch bewundernd zu, wie er in einer Bar die Cocktails mixt. Dennoch – ein Leben ist das nicht. Mellie (Riley Keough), die Schwester der beiden, ist Friseurin. Gut getroffen haben sie es nicht, die Logans. Fast begreift man, daß sie (wie jüngst auch die Brüder in „Hell or High Water“) ihr Glück auf der anderen Seite des Gesetzes suchen wollen.
Hier in Europa kennen sich wohl nur die ultimativen Auto-Freaks mit den inneramerikanischen Rennsport-Veranstaltungen aus. Das „Coca-Cola 600“ in der Nähe von Charlotte, North Carolina, ist jedenfalls ein Riesenevent – der Film nimmt den Zuschauer mitten in den jahrmarktartigen Rummel mit. Wo so viele Leute sind, ist auch viel Geld. Und Jimmy erinnert sich, daß das ganze Gelände von Gängen und Schächten unterminiert ist. Und dort liegt in einem Tresor sehr, sehr viel Geld. Aber die Logans kennen sich vielleicht mit krimineller Strategie aus – für den Raub brauchen sie einen Fachmann.
Das ist Joe Bang in Gestalt eines strohblonden Daniel Craig: Wenn er gewünscht hat, mit dieser Rolle sein James-Bond-Image (das ja immer cooler und eleganter geworden ist) zu zerstören – er ist erfolgreich. Was er hier abzieht, mit einem Wahnsinns-Akzent, der die Sprache der anderen noch unterbietet (und sie ist katastrophal, fordert das scharfe Ohr des Englisch-sprechenden Ausländer), ist einfach eine irr-komödiantische Show, und so sehr Sonderbergh nie vergißt, daß er von armen Leuten erzählt – lachen darf man über die Geschichte ja doch.
 
Craig in der gestreiften Sträflingskluft im Gefängnis (zum Brüllen komisch, ob brav mit Essenstablett, ob beim „Workout“), ist bereit, mitzumachen – und das sicherste ist, wenn er sich mal kurz aus dem Gefängnis entfernt und längst wieder da ist, wenn die Geschichte auffliegt. Was hier mit Krankenstation und getürkten Häftlingskrawallen abgezogen wird (da ist ein verkleideter Clyde behilflich), ist mehr spaßig als spannend.
Während „oben“ unter Karacho das Rennen läuft, wird der Raub im Untergeschoß als Familienunternehmen durchgezogen (Millie sitzt am Steuer des Fluchtautos) – und der Safeknacker liegt rechtzeitig mit Unschuldsmiene in der Krankenstation des Gefängnisses, so genau muß man das alles nicht bewiesen und gezeigt bekommen, es geht eher um Pointe und Klamotte als um Krimi.
Irgendwie freut man sich, daß die Logans nicht erwischt werden. Es gibt ein verhältnismäßiges langes „Nachspiel“, in dem auch Hilary Swank als FBI-Agentin auftaucht, entsprechend ärgerlich, weil sie nichts beweisen kann. Und am Ende sieht man sich mit Milieu und Humor, mit Genrebild und einer Arbeiterklasse-Version von Sonderberghs chicen Gaunerfilmen bedient. Ein Regisseur, der immer für Überraschungen gut ist.
 
 
Renate Wagner