Kein Hattrick

„Happy End“ von Michael Haneke

von Renate Wagner

Happy End
(Deutschland, Frankreich, Österreich 2017)

Drehbuch und Regie: Michael Haneke
Mit: Isabelle Huppert, Jean-Louis Trintignant, Mathieu Kassovitz, Toby Jones, Franz Rogowski, Fantine Harduin, Laura Verlinden u.a.
 
Nicht jeder Film von Michael Haneke kann ein Meisterwerk sein, wenngleich sich ein Hattrick nach „Das weiße Band“ und „Liebe“ fabelhaft ausgemacht hätte (mit noch einer Goldenen Palme in Cannes, von der man träumen mochte…). Aber „Happy End“ bewegt sich nicht auf dieser Höhe. Hier hat Haneke sein indirektes Erzählen, das dem Zuschauer die Schlüsse aus dem Gesehenen überlässt, gegen eine seltsame Direktheit der Aussage eingetauscht, obwohl er seine Geschichte betont puzzlehaft und undurchschaubar ausbreitet. Aber überall blitzt die Absicht hervor, und am Ende wird sie dann so vordergründig präsentiert, daß Haneke mit billigerer Münze zahlt, als man es von ihm für möglich gehalten hätte.
Eine großbürgerliche Familie in Calais, die sich unzweifelhaft um Madame Anne Laurent zentriert: Isabelle Huppert liefert eine ihrer unvergleichlichen coolen Geschäftsfrauen-Profile. Sentimentalität gibt es da keine, und wenn die Baufirma einen Unfall verursacht hat, zahlt man die Betroffenen aus und macht keinen Wirbel darum. Überhaupt, wenn sich ihr Sohn Pierre (Franz Rogowski) so offensichtlich nicht fürs Geschäft eignet, dann verkauft man eben. Und heiratet den englischen Anwalt (Toby Jones als Lawrence Bradshaw): Mein Gott, er muß ja nicht ansehnlich sein, wenn er reich ist und hilfreich bei Geschäften…
Wie schon in „Liebe“ spielt Jean-Louis Trintignant wieder den Vater von Isabelle Huppert. Georges Laurent, der Greis, dem alles so zutiefst zuwider ist, der eigentlich Selbstmord begehen will, aber niemand wagt es, ihm dabei zu helfen. In einer auf Haneke-Art erstickenden Schlußszene würde ihn die 12jährige Enkelin Eve (Fantine Harduin) allerdings ohne weiteres im Meer ersaufen lassen. Aber die anderen retten ihn. Man weiß nicht, wozu.
Die Familienaufstellung ist nicht sonderlich interessant. Es gibt noch den Bruder von Anne, Thomas (Mathieu Kassovitz), der zwischen seiner zweiten Frau Anaïs (Laura Verlinden), einer Freundin und seiner seltsamen Tochter aus erster Ehe schwankt: Daß diese Eve es ist, die diese Familie bei jeder Gelegenheit „mitfilmt“, erfährt man erst später. Überhaupt, der Nachwuchs: Pierre schleppt zum hochnoblen Verlobungsfest der Mama eine Handvoll farbiger Flüchtlinge ins Luxusrestaurant. Die klassische Provokation für die reichen Bürger. Für Haneke ein Mascherl, das er nicht braucht: Sicher, auch in anderen seiner Filme hat er sich mit dem Immigranten-Thema auseinandergesetzt. Hier hat er es nur aufgepfropft.
Weniger kritisch als kaltherzig fährt Haneke die Szenen einer Familie ab, für die zu interessieren man sich schwertut. Sie sind reich, und sie sind unglücklich. Auch gut. Na und? Üblicherweise mag gerade dieser Regisseur den Zuschauer mit unendlich viel „Material“ entlassen, daß dieser weiterdenken kann. Hier schüttelt man die unangenehmen Leute eben ab. So mitleidlos und (vermutlich) uninteressiert wie Haneke selbst.
 
Trailer  
 
Renate Wagner