Ein ehrlicher Zugang zum Geschehen

„Licht“ von Barbara Albert

von Renate Wagner

Licht
(Deutschland/Österreich 2017)

Regie: Barbara Albert
Mit: Maria Dragus, Devid Striesow, Maresi Riegner, Stefanie Reinsperger u.a.
 
In Wien hat man sie nicht vergessen – nicht nur der Paradisgasse in Döbling wegen (Betonung auf dem zweiten A). Aber man denkt an Maria Theresia Paradis ((1759-1824), die damals so berühmte blinde Pianistin der Mozart-Zeit, doch vor allem im Zusammenhang mit Franz Anton Mesmer (1734-1815), dem Zauberer und Scharlatan der Epoche (dessen „magnetische“ Behandlungsmethode Mozart bekanntlich in „Cosi fan tutte“ parodiert hat, wenn Despina sich als Arzt verkleidet). Um die Geschichte der versuchten „Heilung“ der jungen Frau durch Mesner ranken sich die bösen Gerüchte, daß er sie auch mißbraucht haben soll – eine seltsame Geschichte voll Ungewissheit.
Der romantische Plüsch des 18. Jahrhunderts, der diese real-historische Episode in konventioneller Weise einrahmen würde, wird in dem Film „Licht“ von Barbara Albert höchst kritisch eingesetzt: Es ist keine reizvolle Welt, die sie pinselt, so üppig Rokoko-Kostüme und Perücken auch wogen. In dieser Umgebung wird die junge, fast grotesk häßliche blinde Pianistin vorführt, die von ihren unangenehmen Eltern herumgeschleppt und wie ein Ausstellungsstück vorgeführt wird und an der nur fasziniert, wie sie das Klavier beherrscht. Da wird das unsichere halbe Kind zur bewunderten Meisterin. Von Anfang an stellt die Regisseurin klar, was hier vorgeht: ein junges Mädchen als hilflose Marionette, als Opfer ihrer Umwelt, von gierigen Eltern, die sie vermarkten, und einer gierigen Gesellschaft, die sich an ihr wie an einer Jahrmarktskuriosität weidet.
 
Und da ist Franz Anton Mesmer, den man heute wohl als Guru oder Alternativheiler betrachten würde, der behauptet, er könne dieses Mädchen von seiner Blindheit befreien. Also wird die 18jährige 1777 in das Schloß gebracht, wo er residiert und wohin man ihm schon andere Kranke (vor allem Nervenkranke) hin- und abgeschoben hat. Eine Heilanstalt, die kläglich und armselig anmutet, nichts von dem Glanz vermittelt, den Mesners Name damals umstrahlt haben muß.
Barbara Albert zeigt nach dem Drehbuch, das Kathrin Resetarits nach Alissa Walsers Roman „Am Anfang war die Nacht Musik“ geschrieben hat, nicht wirklich, was Mesner nun mit dem armen Geschöpf angestellt hat, außer hypnotisch beschwörend auf sie einzureden und seine Idee vom magnetischen Fluidum zu beschwören, und man erfährt auch nicht, ob ihre Bestätigung, nach und nach etwas zu „sehen“, einfach nur eine Schutzbehauptung war. Es spielt sich auch nichts besonders Spannendes zwischen den beiden ab. Wenn die Regisseurin etwas darstellt, dann die Glanzlosigkeit des ganzen Unternehmens und die Armseligkeit des Schicksals dieser jungen Frau. Die dann, als sie vielleicht tatsächlich Schatten sieht, die atemberaubende Sicherheit verliert, mit der sie früher die Klaviertasten bearbeitete.
So, wie Maria Dragus (einst in Hanekes „Das weiße Band“ als eines der Kinder dabei) diese „Resi“ spielt, gelegentlich fast ein wenig debil wirkend, in hohem Maße hilflos jedenfalls, sich durch die Welt tastend, entfaltet sich kaum eine Ahnung ihrer Genialität, selbst wenn sie sich ans Klavier setzt – und wenigstens das hätte man ihr nicht schuldig bleiben sollen. Und auch Devid Striesow als Franz Anton Mesmer hat nicht die geringste Ausstrahlung eines Wunderdoktors, ja, nichts Besonderes haftet ihm an. Und das scheint dann doch etwas wenig für die Geschichte, sie ist irgendwie rund um die berühmten Protagonisten zu klein geraten.
 
Interessant, wie weit eher Nebenfiguren zu genuinem Leben erwachsen, vor allem Maresi Riegner als die Magd Agnes, neugierig um die Blinde herumstreichend, später – auch sie ein klassisches Opfer – weggeschickt, weil sie sich von einem Patienten verführen ließ und schwanger geworden ist. Oder Stefanie Reinsperger als die Köchin Johanna, Mutter eines debilen Kindes, die demütig hinnehmen muß, als es ums Leben kommt.
Doch nicht alle Frauen sind Opfer – sowohl die stets betriebsame, die Tochter gnadenlos vorschiebende, an ihr herumzupfende und herumbessernde Mutter von Resi (Katja Kolm) wie auch die Gattin von Mesmer (Johanna Orsini-Rosenberg) behaupten ihren Platz, ebenso wie einzelne Männer (Lukas Miko als Resis angeberischer Vater, der auf einen Adelstitel besteht, den er nicht besitzt) oder Hermann Scheidleder als der Professor, der Mesner nach Möglichkeit erniedrigt und Resis Heilung anzweifelt – sie alle auf Kosten der Schwachen.
Man will nicht denken, was ein konventioneller Fernsehfilm aus dieser Geschichte Spektakuläres gemacht hätte, die Barbara Albert hier so gnadenlos und zweifellos absichtsvoll trocken anpackt. Aber etwas mehr dramatischer Grip hätte dem Film nicht geschadet, der sich allerdings auf seinen ehrlichen Zugang zum Geschehen berufen kann. Daß diese Maria Theresia Paradis nach dieser Behandlung noch zu einer Weltberühmtheit ihrer Zeit wurde und an Fürstenhöfen konzertierte – man würde es diesem Geschöpf, das dieser Film zeichnet, nicht zutrauen…
 
Trailer    
 
Renate Wagner