Rollenspiele im Luxus-Gefängnis

Wuppertaler Bühnen spielen Genets „Die Zofen“

von Daniel Diekhans

v.l.: Lena Vogt, Philippine Pachl - Foto © Uwe Schinkel

Rollenspiele im Luxus-Gefängnis
 
Wuppertaler Bühnen spielen Genets „Die Zofen“
 
„Les Bonnes“ (Die Zofen) von Jean Genet
in der Übersetzung von Simon Werle.
 
Regie: Jakob Fedler - Bühne und Kostüme: Dorien Thomsen - Musik: Gunda Gottschalk - Glas-Perkussion: Salome Amend (Einspielung) - Fotos: Uwe Schinkel
Besetzung: Lena Vogt (Claire) - Philippine Pachl (Solange) - Julia Reznik (Gnädige Frau)
 
Regisseur Fedler setzt bei seinen „Zofen“ auf Theatralik und Parodie
 
Grau ist die Bühne, auf der die „Zofen“ im Theater am Engelsgarten ihr Spiel treiben. Grau wie sonst nur ein Gefängnis sein kann. Diese farblose Öde lockert Ausstatterin Dorien Thomsen auf durch die roten, weißen und schwarzen Kleider, die sie dicht an dicht an der Rückwand angebracht hat. Für den Zuschauer ist es ein angenehmer Hingucker. Doch für die – ebenfalls grau kostümierten – Zofen, die sich nach den kostbaren Klamotten ihrer Dienstherrin sehnen, hängen sie unerreichbar hoch. Verzweifelt greifen sie danach und kriegen sie nie zu fassen.
Regisseur Jakob Fedler reizt das Gefängnisdrama, das in Jean Genets „Die Zofen“ steckt. Nicht das reale Gefängnis, in dem der Autor Genet viele Jahre gesessen hat. Fedler und Thomsen bringen das soziale Gefängnis auf die Bühne, aus dem Claire und Solange nicht hinaus können. Während ihre Arbeitgeber im Luxus leben, bleibt für die Dienstmädchen nur eintönig „graue“ Arbeit und triste Langeweile übrig. Vor dieser Monotonie flüchten sie ins Rollenspiel. Dann ist Claire etwa die „gnädige Frau“ und Solange ihre Dienerin. Welche Rollen die beiden auch einnehmen – immer ist es das alte Spiel von Erniedrigung und Unterwerfung und somit eine böse Parodie auf die realen Machtverhältnisse.


v.l.: Philippine Pachl, Lena Vogt - Foto © Uwe Schinkel

Kurz: Claire und Solange haben eine sadomasochistische Beziehung. Fedler gibt so der Haßliebe der Schwestern, die der Text vorgibt, eine neue Ausdrucksform. Den Sadomasochismus – die wohl theatralischste Spielart der Sexualität – führen die Schauspielerinnen Lena Vogt und Philippine Pachl virtuos vor. Da gibt es Fesselspiele, die einem strengen Ritual gehorchen. Mit geradezu religiöser Inbrunst werden der Spielpartnerin die Stiefel geputzt. Kein Zuschauer muß sich davon peinlich berührt fühlen. Dafür sorgen die beiden mit klug eingesetzten Gags, die immer wieder den spielerischen Charakter der Handlungen hervorkehren. So bellt und heult Pachl wie ein Hund, um die Unterwerfungsgesten ad absurdum zu führen.
 
Weder das erotische Powerplay noch die Gags sind hier bloße Effekte. Vogt und Pachl verführen ihr Publikum dazu, ihrem Spiel volle Aufmerksamkeit zu schenken. Bei der „Zofen“-Premiere ließen sich die Zuhörer sogar von einem Alarmsignal, das sich schnell als Fehlalarm herausstellte, nicht aus dem Konzept bringen. Das wäre auch wirklich schade gewesen, hatte doch Julia Reznik gerade ihren großen Auftritt. Als „gnädige Frau“ überschüttet sie ihre „geliebten“ Untergebenen mit einem deutsch- französischen Wortschwall. Es ist ein großartiger Einfall, denn das Französische, Jahrhunderte lang Sprache der Reichen und Mächtigen, treibt die Affektiertheit ihres Charakters auf die Spitze. Angesichts dieser Diva mit feuerroter Perücke verwandeln sich Vogt und Pachl, die eben noch den Aufstand geprobt haben, zurück in unterwürfige Domestiken. „Sie vergiftet uns mit ihrer Güte“, erkennt Vogt alias Claire. Als Ausweg aus ihrer Gefangenschaft sieht sie nur noch den Tod. Auch hier findet Regisseur Fedler eine originelle Lösung. Dieses eine Mal gibt es keine großen Gesten, keine Theatralik. Ein Schritt – und Vogt ist herunter von der Bühne. Schluß, aus, großer Applaus.


JUlia Reznik - Foto © Uwe Schinkel

„Die Zofen“ sind wieder am 18. November im Theater am Engelsgarten zu sehen. Es folgen Aufführungen am 19. November sowie am 3. und 9. Dezember. Weitere Vorstellungen gibt es im Januar und Februar.
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de
 
Daniel Diekhans