Heimweh und Mond, Traum und Zikaden

„Frühling im Jadehaus“ - Klassische chinesische Gedichte

von Frank Becker

Heimweh und Mond, Traum und Zikaden
 
Chinesische Dichtung aus 1500 Jahren
 
Als in Europa noch die Völkerstämme auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt herumirrten und weder an Dichtung noch an andere feingeistige Betätigung zu denken war, hatte sich in China schon längst eine hohe Kultur etabliert.
 
Zur über 4000 Jahre alten chinesischen Dichtung, die ihre Blüte zwischen 200 v.u.Z. und 1280 u.Z. erlebt hat, ist aktuell im Reclam Verlag für unfaßbar günstige 5,- € eine Anthologie erschienen, die rund 240 Gedichte von 125 Dichtern dieser klassischen Epoche versammelt. Die Dichtkunst gehörte wie die Beherrschung von Malerei, Kalligraphie und Musik zur Bedingung für Männer, die höhere Ämter der Verwaltung, zumal der kaiserlichen anstrebten. Deshalb finden sich in der von Chen Mingxiang und Hildburg Heider herausgegebenen Sammlung als Verfasser Kaiser, Adlige, große und kleine Beamte, Generäle, Gelehrte, Wissenschaftler und Geistliche, aber auch Ehefrauen, Töchter und Prostituierte. Die Gedichte erzählen von Sehnsucht und Liebe, Krieg und Heimweh, von Ehe und Alltag von Arm und Reich, Landleben und Glanz der Paläste. Sie sind aus einer Zeitspanne von ca. 1500 Jahren ein Abbild von Chinas Kultur, Philosophie und Geschichte.
 
Wer sich bereits mit chinesischer Dichtung beschäftigt und z.B. die deutschen Übertragungen von Klabund, Alfred Forke, Hans Bethge, Manfred Hausmann, Max Geilinger, Otto Hauser, Günther Eich, Georg Schneider, Hans Heilmann, Hans Böhm oder Renate Stolze gelesen hat, wird aufgrund der vom Herausgeber Chen Mingxiang gewählten Schreibweise vieler Namen auf Verständnisprobleme stoßen. Als ein Beispiel von vielen sei der vor allem durch Klabund, Hans Bethge, Manfred Hausmann und Günther Eich in Deutschland bekannt und beliebt gewordene Li-tai-pe (auch: Li Tai-po, Li Tai-bo oder Li Bo) erwähnt. Chen Mingxiang schreibt ihn Li Bai. Leider gibt Chen keine Hinweise auf andere bzw. frühere deutsche Schreibweisen der von ihm für die Anthologie ausgewählten Dichter.
Gemeinsam mit der Slawistin Hildburg Heider hat der chinesische Germanist Chen ein lesenswertes und durch Text-Erläuterungen, Fußnoten und Notizen zu den Dichtern ergänztes schönes Kompendium der chinesischen Lyrik ihrer Blütezeit zusammengestellt.
Eine Zeittafel vom 26. Jahrhundert v.u.Z. bis 1949, eine Karte der Reiche sowie je ein Verzeichnis und Index der Dichter in alphabetischer Folge helfen, die chronologisch angelegte Sammlung zu erschließen.

Lesen Sie zum Thema auch den heute in den Musenblättern erscheinenden Artikel → „Nachtgedanken“.
 
„Frühling im Jadehaus“ - Klassische chinesische Gedichte
Neuübersetzung. Auswahl, Übersetzung und Kommentat: Chen Mingxiang und Hildburg Heider
2017 Reclam Verlag, 255 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 9,6 x 15,2 cm  
ISBN: 978-3-15-010729-4
5,- €
 
Weitere Informationen: www.reclam.de