Viel zu viel inhaltlicher Leerlauf unter schönen Bildern versteckt

„Der Mann aus dem Eis“ von Felix Randau

von Renate Wagner

Der Mann aus dem Eis
(Iceman – Die Legende von Ötzi - Österreich 2016)

Regie: Felix Randau
Mit: Jürgen Vogel, Susanne Wuest, André Hennicke, Franco Nero u.a.
 
Jeder erinnert sich noch an die Sensation, als 1991 in den Dolomiten von Wanderern die „Eismumie“ gefunden wurde – gerade ein paar Meter weit in Südtirol, daß der Mann aus der Jungsteinzeit „Italiener“ wurde und nicht Österreicher, schon ein Pech. Aber „Ötzi“, wie man ihn liebevoll nennt, ist zum medialen Allgemeingut geworden, durch seinen gewaltsamen Tod zusätzlich geheimnisumwittert. Kurz, man wundert sich eigentlich, daß man noch nicht früher einen Film über ihn gedreht hat.
 
Aber was soll man erzählen? Nun, wir können davon ausgehen, daß das Filmteam rund um Regisseur und Drehbuchautor Felix Randau gewissenhaft gearbeitet hat, wenn es uns erzählen will, wie das Leben in der Jungsteinzeit so verlief. In den Bergen, dort, wo man den Ötzi fand. Wie sehen also zu, wie ein Clan in ziemlich gut gebauten Hütten wohnt, seine Tiere hält, die Männer ziehen zur Jagd aus, Frauen und Kinder sind freundlich. Es gibt ein Doppelbett mit Fellen, wir sehen ein bißchen vom Arbeitsalltag, die Frauen weben, die Männer sind mit dem Steinhammer unterwegs. Wenn sie sprechen, versteht man sie nicht (und es wird auch durch keine Untertitel erläutert) – es sei eine frühe Form von Rätoromanisch, hat man gelesen, und die Schauspieler müssen einfach durch ihr Spiel klar machen, worum es geht. Das funktioniert.
Ein unendlich zotteliger Jürgen Vogel ist als Kelab Zentrum des Geschehens, und wir hegen gar keinen Zweifel, daß er als Führer seines Clans ein guter und potenter Mann ist. Er hütet auch das Heiligtum seiner Leute – offenbar bedeutet ein polierter Stein in einem Kästchen auch etwas Besonderes, denn „religiöse“ Rituale gab es immer und überall…
Aber auch Kelab muß sich gelegentlich entfernen, um auf die Jagd zu gehen, und da überfällt eine Handvoll Marodeure seine Leute. Alle tot bis auf ein Baby, die Hütten niedergebrannt, das heilige Kästchen gestohlen. Nach einem gewaltigen Verzweiflungsausbruch, ist klar, daß es nur eines gibt – hinter den Mördern her. (Ein Glück, daß er zwischendurch einen alten Mann – ist das wirklich Franco Nero? – und eine junge Frau trifft, deren eindeutige Sex-Avancen er zwar abweist, bei der er aber das Baby zurücklassen kann…).
 
Was soll man sagen? Von nun an besteht der Film darin, daß Kelab – in recht gut genähter Kleidung, mit vielen Fellen dazu – durch die Landschaft wandert, durch die Wälder, solange sie noch grün sind, durch die Berge, durch Schnee und Eis später. Er findet die Mörder, tötet sie (nur einen läßt er laufen), aber es gibt weder Frieden noch Neubeginn. Und auch nicht wirklich viel Handlung.
Regisseur Felix Randau filmt die Natur und gelegentlich gewaltsame Aktionen, teils mit ziemlicher Brutalität. Bis unseren stillen Helden ein Pfeil in den Rücken trifft… und er in jenem Eis versinkt, in dem man ihn Jahrtausende später fand. Das gibt sehr schöne und toll gefilmte Landschaft – gedreht wurde in Südtirol, u.a. im Passeiertal –, und wie sehr der Mensch von den Naturgewalten abhängig war, wird schon klar angesichts von Regen, Stürmen, Wetterumbrüchen, schließlich dem Schnee und Eis des Hochgebirges.
Das Drama, das sich zwischen den Menschen abspielt, entfaltet sich schon weniger, nicht nur, weil die grimmigen bösen Kerle einer aussehen wie der andere und man natürlich weder ihre Motive noch ihre Pläne erfährt. Das Rache-Drama des Überlebenden ist ein klassischer Mythos (man erinnert sich an Leonardo DiCaprio in „The Revenant“, die Ähnlichkeit ist einfach zu dicht), aber spannend wird dergleichen nicht wirklich. Schade – schließlich findet Kelab ja auch das gestohlene heilige Kästchen, aber gerettet hat es ihn nicht.
Über den wahren Ötzi wissen wir jetzt natürlich auch nichts, wie auch? Es ist jedenfalls ein ambitionierter Film, der allerdings viel zu viel inhaltlichen Leerlauf unter schönen Bildern verstecken muß.
 
Trailer     
 
Renate Wagner