„Mahner, Brückenbauer und Mittler“

Am 31. Dezember vor 80 Jahren wurde Paul Spiegel geboren

von Andreas Rehnolt

Paul Spiegel - Foto © Blaues Sofa


Am 31. Dezember vor 80 Jahren wurde Paul Spiegel geboren
 
Der frühere Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland war
nach Überzeugung des amtierenden Zentralrats-Präsidenten Schuster
„Mahner, Brückenbauer und Mittler“

Paul Spiegel war nicht nur Mahner, er war auch Brückenbauer und Mittler - zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur oder Religion“. Mit diesen Worten erinnerte jetzt im Gespräch mit dem epd der amtierende Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, an seinen Amtsvorgänger Paul Spiegel. Der 2006 verstorbene Spiegel wäre am 31. Dezember 80 Jahre alt geworden.
 
Spiegel, der das Amt des Zentralratspräsidenten rund sechs Jahre inne hatte, hat die jüdische Gemeinschaft in Deutschland nach den Worten von Schuster „nachhaltig geprägt“. Zeit seines Lebens hätte sich der 1937 im westfälischen Warendorf geborene „gegen Antisemitismus, Israelhaß, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ eingesetzt, so Schuster weiter.
Schon 2009 hatte Spiegel zum Jahrestag der Pogromnacht der Nationalsozialisten 1938 die Politiker hierzulande davor gewarnt, in ihren Reden im Zusammenhang mit Zuwanderung und Leitkultur „verbal zu zündeln.“ Spiegel wurde laut Schuster „nicht müde, Mißstände anzuprangern und die Gesellschaft zum Handeln aufzufordern.“
 
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, wo Spiegel jahrzehntelang im Gemeinderat wirkte, Oded Horowitz, würdigte im Gespräch mit dem epd Spiegels „Talent, Menschen anzusprechen und zu begeistern.“ Spiegel, der privat eine Künstleragentur betrieb, konnte nach den Worten von Horowitz Menschen aktivieren, sich der guten Sache anzuschließen.“
In den Jahren als Zentralratspräsident hätte er mit dieser Fähigkeit auch „die Verbindungen zu Politik und Land sehr intensiviert“, so der Vorsitzende der drittgrößten jüdischen Gemeinde in Deutschland weiter. Zudem habe Spiegel auch die Josef Neuberger Medaille entworfen, die von der Gemeinde jährlich an eine verdiente nichtjüdische Persönlichkeit vergeben wird.
Spiegels Ruf nach mehr Zivilcourage mündete nach den Worten von Schuster in der Gründung des Vereins „Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“. Spiegel zu Ehren verleiht der Zentralrat der Juden seit 2009 den Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage. „Seine Verdienste werden wir bei der Verleihung des Preises im kommenden Jahr würdigen“, betonte Schuster weiter.
 
Seine Familie floh vor dem Holocaust der Nationalsozialisten nach Belgien, wo katholische Bauern den Jungen bis 1945 aufnahmen und versteckten. Die Mutter konnte in Brüssel untertauchen, der Vater wurde gefangen genommen und überlebte mehrere Konzentrationslager. Die ältere Schwester von Paul Spiegel starb in einem KZ. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte die Familie nach Warendorf zurück, wo Spiegel die Schule besuchte und nach dem Abitur ein Volontariat bei der „Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung“ absolvierte.
Seit 1993 war Spiegel Vizepräsident des Zentralrats, seit 1995 Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von NRW. Er arbeitete auch in seinen Jahren als Präsident des Zentralrats weiter als Chef der von ihm gegründeten Internationalen Künstleragentur für Show und Unterhaltung in Düsseldorf.
Schuster erinnerte gegenüber dem epd daran, daß in Spiegels Amtszeit die Unterzeichnung des ersten Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik und dem Zentralrat der Juden fiel. Der stellte „jüdisches Leben hierzulande auf ein solides finanzielles Fundament“, so der amtierende Zentralratspräsident. Unter Spiegel sei es auch zur Einigung mit den liberalen jüdischen Gemeinden gekommen. Zudem sei während seiner Amtszeit auch die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg „aufgeblüht“.
 
In Düsseldorf erinnert seit 2012 das Paul Spiegel-Filmfest an den ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden. Zudem trägt der Platz, an dem die Synagoge in der NRW-Landeshauptstadt steht, Spiegels Namen. In seiner Geburtsstadt Warendorf trägt das dortige Berufskolleg seit 2009 seinen Namen. Er ist zudem Ehrenbürger der Stadt. Für Horowitz war Spiegel einer der besten Botschafter der „jüdischen Sache“. Die Gemeinde vermisse ihn und „habe bis heute die Lücke nicht schließen können“, so der Vorsitzende. Spiegels Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Düsseldorf.
 
 
Wir danken dem epd und Andreas Rehnolt für die
Erlaubnis, den Text in die Musenblätter zu übernehmen.