Inszenierung und Improvisation

Klaus Fischers Aktfotografie in der DDR

von Frank Becker

Inszenierung und Improvisation
 
Klaus Fischers Aktfotografie in der DDR
 
Im Gegensatz zu den Auftrags- und Terminzwängen der Alltagsarbeit eines Berufsfotografen kann ich in der Aktfotografie unvorbelastet und gleichsam spielerisch arbeiten“, hat der in der DDR hoch geschätzte Fotograf Klaus Fischer (1934-2009) einmal sein Verhältnis zur Aktfotografie beschrieben. Er selbst hat sich einmal als Amateur „auf diesem schönen, unterhaltsamen und vergnüglichen Gebiet“ gesehen. Diese Einschätzung nimmt dem kreativen Fotokünstler den Druck und die Erwartungshaltung und macht das Arbeiten leichter. Es überträgt sich aber auch auf die Modelle, bei Klaus Fischer wohl im wesentlichen Laien, das „schöne Mädchen von nebenan“, wenn auch dem ästhetischen Anspruch des Auges und Objektivs in Ausstrahlung und Körperlichkeit schmeichelnd. Auf späteren Bildern sieht man daneben gelegentlich Modelle der Profi-Liga – wie z.B. auf dem Umschlag des Buches „Der Reiz des Sinnlichen“, das wir Ihnen heute hier vorstellen. Dieses Bild ist in Dramatik und Dramaturgie ein Hochgenuß und eines der schönsten auch im Buch. Die Bescheidenheit der Selbsteinschätzung zeichnet angesichts solcher Bilder den Fotografen neben seinen stimmungsvollen Arbeiten auf diesem sensiblen Sektor der Fotografie aus.
 
Das Buch versammelt einen zeitlich kaum zuzuordnenden Mix aus mehreren Jahrzehnten mit einem Schwergewicht bei den 1980er Jahren. Da mischen sich in aller Unbefangenheit der Reiz der süßen Jugend und amateurhaft wirkende Dachkammer-Schnappschüsse, laszive Erotik und sorgfältig in Szene gesetzte Akte von internationalem Anspruch. Schwarz/Weiß und Farbe halten sich in etwa die Waage. Einflüsse von u.a. Stefan Moses, Paul Outerbridge und Man Ray sind unübersehbar. Neben Mädchen in der knospenden Blüte ihrer Jugend treffen wir auf junge Frauen im spürbaren Bewußtsein ihrer Schönheit, Paare oder auch zwei Mädchen miteinander. Perfekt ausgeleuchtete Studio-Aufnahmen stehen neben Akten in der Natur – Meer und Dünen, Feld, Wald und See geben die Kulisse – oder die eigene Wohnung, das eigene Bett oder Sofa wurde improvisiert mal eben zur Bühne. Klaus Fischers Modelle sind nicht immer unbedingt „perfekt“, doch erfüllen sie seinen Anspruch auf Natürlichkeit. Da, wo er physische Perfektion ins Bild setzt (wie u.a. auf den Seiten 13, 31, 34, 63, 74, 87, 99, 114/15  123, 127, 130), zeigt er sich als Meister der Inszenierung. Was alle Bilder gemeinsam haben ist, daß sie „leise“ sind, auf Effekthascherei verzichten.

 
© Klaus Fischer, Akt - Seite 31


© Klaus Fischer, Akt - Seite 54

Natürlich wissen wir, daß Klaus Fischer, der auch als Werbe-, Landschafts- und Stadt-Bild-Fotograf tätig war, als Verfasser von umfangreicher Fachliteratur durchaus zur Elite der DDR-(Akt)fotografen zählte. Der vorliegende Bildband bietet unter dem treffenden Titel „Der Reiz des Sinnlichen“ mit 136 Farb- und s/w-Fotografien eine das ab den 1950er Jahren entstandene aktfotografische Gesamtwerk umreißende Retrospektive der Arbeit Klaus Fischers. Neben den Bildern, die wir Ihnen begleitend zu diesem Artikel zeigen, werden wir im kommenden Monat eine Woche lang täglich ein Foto von Klaus Fischer einrücken.

 
© Klaus Fischer, Akt - Seite 99, Ina 1982

 
 
© Klaus Fischer, Akt - Seite 128

Klaus Fischer – „Der Reiz des Sinnlichen“
Aktfotografie – Vorwort von T.O. Immisch
© 2017 BEBUG mbh / Verlag Bild und Heimat, 143 Seiten, gebunden, 136 Fotografien  -  ISBN: 9783959580922
19,99 €
Weitere Informationen:  www.bild-und-heimat.de
 

© Klaus Fischer, Akt - Seite 4

Lesetips zum Thema Klaus Fischer:
- Klaus Fischer „Aktfotografie“, VEB Fotokinoverlag, Leipzig 1979
- „Aktfotografie - Variationen und Tendenzen“, VEB Fotokinoverlag, Leipzig 1987
- Klaus Fischer „Fotograf und Modell“, VEB Fotokinoverlag, Leipzig 1989
- „Schöne Akte. Fotografien aus der DDR“, Berlin, Das Neue Berlin, 2011
- „Akt in der DDR“, BEBUG mbH / Verlag Bild und Heimat, Berlin 2014