Liebenswerte Mörderinnen

„Arsen und Spitzenhäubchen“ an den Wuppertaler Bühnen

von Frank Becker

Wuppertaler Bühnen:

Arsen und Spitzenhäubchen
 
Liebenswerte Mörderinnen
 
Matthias Gall hat sich Frank Capras legendäre Filmfassung von Joseph Kesselrings „Arsen und Spitzenhäubchen“ aus dem Jahr 1941 sehr oft und genau angesehen: in seinem Mortimer Brewster der Wuppertaler Bühnenfassung von Kathrin Sievers sah man in jeder Geste, dem schräg gelegten Kopf und der Körpersprache eine bemühte Kopie des unerreichbaren Cary Grant, dessen schlaksige Eleganz man nicht kopieren kann und sollte. Er wurde damit neben dem farblosen Theo Pfeifer (Dr. Einstein) zum schwächsten Glied der trotz unnötiger Längen  unterhaltsamen Inszenierung der Grusel-Komödie über zwei ältliche Damen, die reinsten Gewissens alleinstehende ältere Herren mit vergiftetem Holunderwein ins Jenseits befördern und sie von ihrem verrückten Neffen Georgie Brewster (Andreas Möckel) im Keller verbuddeln lassen.
Andrea Witt (Tante Abby) und Ingeborg Wolff (Tante Martha) geben, völlig gelöst von der berühmten Vorlage, dieses charmante Gespann auf ihre Art, ein liebenswertes, gutherziges  Schwesternpaar, dem  trotz offensichtlicher 12 Giftmorde augenblicklich die Herzen zufliegen. Hier zeigen zwei Vollblut-Komödiantinnen, was Theater ist und werden zu Garanten für den fortdauernden Erfolg der Inszenierung.

Keine gute Idee der Dramaturgie war die zeitgeschichtliche Aktualisierung der Binnenhandlung um den verrückten Neffen, der nicht wie im Original ein längst verstorbener US-Präsident zu sein glaubt und die Leichen am Panama-Kanal begräbt. Hier den lebenden US-Präsidenten – man mag zu ihm stehen, wie man will – zu benutzen und dabei die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion mittels der fürchterlichen Ereignisse im Irak zu verwischen, ist eine ärgerliche Entgleisung. Andreas Möckel entledigte sich der undankbaren Aufgabe smart und mit professioneller Sicherheit. Allrounder Thomas Braus illustrierte als verunstalteter Massenmörder Jonathan Brewster in der Maske von Boris Karloff als Frankensteins Geschöpf seine ironische Gratwanderung zwischen Wahnsinn und mordlustigem Kalkül mit bravourösen Stimmungswechseln - ein guter Teil des Gelingens. Er ist ein Phänomen, ein Geschenk für jede Bühne.

Dass am Ende alle Irren, Mörder und Polizisten ihren angemessenen Platz haben, hat sich Kesselring gut ausgedacht – gestandene irische Cops von Damen in Hosenrollen zu besetzen sicher nicht. Aber die Not kleiner Ensembles kennt kein Gebot und so müssen in Wuppertal auch profilierte Darsteller wie Bernd Kuschmann und der köstliche Hans Richter ihr großes Können in Chargen-Rollen verschleißen.
 
Frank Becker, 14.6.04