Brillantes Kammerspiel

„Die Wunderübung“ von Michael Kreihsl

von Renate Wagner

Die Wunderübung
(Österreich 2017)

Drehbuch und Regie: Michael Kreihsl
Nach dem gleichnamigen Theaterstück von Daniel Glattauer

Mit: Erwin Steinhauer, Aglaia Szyszkowitz, Devid Striesow u.a.
 
Daniel Glattauer hat mit seinen Theaterstücken aus vielen Gründen Erfolg. Einer davon ist der minimalistische Aufwand – wenige Darsteller, meist nur ein Schauplatz, alles ruht auf den Schauspielern, und wenn diese gut sind, geht nichts schief. So hatte auch seine „Wunderübung“ bei der Uraufführung vor ziemlich genau drei Jahren in den Josefstädter Kammerspielen großen Erfolg. Aber kann man etwas, das so sehr „Theater“ ist, auf die Leinwand verpflanzen?
Wenn man nicht „Kino“ im herkömmlichen Sinn verlangt, dann klappt es. Michael Kreihsl, der schon die Theateruraufführung inszeniert hat, schafft auch die Filmversion. Drei Menschen in einem Zimmer, ein total zerstrittenes Ehepaar, das einen Paartherapeuten aufsucht. Nur vorher und nachher gibt es ein bißchen Wien, Straße, Alltag, Straßenbahn. Der Rest ist Kammerspiel. Das seinen Drive aus sich selbst nimmt.
 
Denn das Ehepaar, das sich da vor dem Therapeuten in Stücke zerlegt, kann’s, die sind Meister im gegenseitigen Herunterputzen und Anflegeln. Vor allem die Frau geht drauf los wie eine Rakete, immer wieder haarscharf gezielt – für andere Frauen (im Kinosaal), die eher normale Umgangsformen pflegen, fast peinlich: So beschimpft man sich nicht, schon gar nicht vor Dritten. Aber darum geht es ja. Der „Herr Magister“ soll sie ja als Mediator quasi wieder zusammen bringen. Ihnen zeigen, daß es gar nicht so schlimm und aussichtslos ist. Eigentlich möchten die beiden in tiefer Seele einander wieder gern haben, wünschen nichts inniger, als sich zusammen zu streiten. Aber wie, ohne daß einer von ihnen klein beigibt, ohne daß man seinen Groll los wird?
Nun, wer das Theaterstück kennt, der weiß, worin die „Wunderübung“ des Therapeuten besteht, und ohne diese Pointe ist das Ganze nicht mehr ganz so lustig und spannend. Aber die Darsteller sind wieder einmal das Rückgrat – und darum klappt der Film ja doch. Aglaia Szyszkowitz, von der Theateraufführung übrig geblieben, hat den nicht endenden Drive des Zankens, sie spuckt ihre Enttäuschungen nur so hinaus, sie eifert und geifert – alles hat ihr der liebende Gatte auf die Schultern gelegt, Haushalt und Kinder, und dann betrügt er sie noch, und von der einstigen Liebe ist auch nichts mehr vorhanden. Devid Striesow ist unterschwellig amüsant mit dem charakteristischen Seufzern der Männer, die letztendlich nichts verstehen („Was will das Weib“, wie Sigmund Freud es formulierte).
 
Aber da ist noch Erwin Steinhauer, und er genießt es, seine Figur detailfreudig auszuspielen, ohne es je billig zu geben. Es sei denn seine Maske – mit den dicken Augenbrauen, dem Schnauzer, dem wilden Haar sieht er eher aus wie Ernst Konarek als wie er selbst, aber das paßt zu dem leicht schusseligen, abwesenden Image, das er sich gibt. Halb Routinier, der weiß, wie er eine solche Situation zu „spielen“ hat, halb vielleicht wirklich resigniert angesichts von so vielen Ressentiments, die ihm da giftig entgegen geschleudert werden, ist er der wunderbare Angelpunkt der Geschichte.
Michael Kreihsl hat die Interaktion der drei Personen inszeniert, wie er es auf dem Theater getan hat, und nur vielleicht einen Fehler begangen: In dem lichtdurchfluteten Zimmer, in dem sich das Gespräch abspielt, wird der Zuschauer immer wieder durch Gegenlicht und Zwielicht gestört. Keine Frage, daß die Filmtechnik weit genug ist, um dergleichen professionell auszuleuchten oder die Kameras richtig zu postieren.
 
 
Renate Wagner