Morbus Kerner

Nicola Förg – „Das stille Gift“

von Frank Becker

Morbus Kerner
 
Glyphosat, Bayer AG, Monsanto, Gen-Technik, Biogas-Anlagen – Reizworte, die jedem auch nur einigermaßen informierten Menschen Zornesröte ins Gesicht treiben. Aber Botulismus? Dem Normalverbraucher wenig bekannt, stellt diese auch für Menschen lebensbedrohliche Lebensmittelvergiftung (auch als Morbus Kerner bekannt) für Rinder ein tödliches Risiko dar. Ausgelöst durch verunreinigtes Futter kann es ganze Hofbestände dahinraffen.

Die Krimi-Bestseller-Autorin Nicola Förg greift in ihrem Roman „Das stille Gift“ dieses Thema am Beispiel des Bauern Kilian Schwaiger auf, dessen Verschwinden zwei Jahre zuvor Rätsel aufgegeben hatte. Kilian hatte zuvor ein geradezu Hiobsches Schicksal zu tragen: Sein und seiner Frau Annas Sohn war mit einer unerklärlichen Behinderung zu Welt gekommen, durch einen schrecklichen Unfall beim Rücken im Wald kam der Junge ums Leben, und Kilian selbst wurde dabei von einem Baum die Hüfte zerschmettert. Schließlich verendeten die Kühe in seinem Stall an chronischem Botulismus. Alle seine Bemühungen, über Gutachten auf die Vergiftung hinzuweisen und Schadenersatz zu erstreiten schlagen fehl. Eine Menge Gründe, aus dem Leben zu scheiden. Aber auch ein Dauerstreit mit dem Nachbarn und Großbauern Rupert Urban hatte an Kilians Existenz genagt. Als er verschwand, glaubten viele an Suizid, andere vermuteten hämisch, er habe seine Familie im Stich gelassen und sonne sich in der Karibik..
 
Die Wende bringt ein Metallstück, das dem Wanderfreund Heinrich Miller, mit seiner Frau Mönchen seit 26 Jahren Ferien-Stammgast in Garmisch-Partenkirchen, aus dem Gülleverteiler von Rupert Urban um die Ohren fliegt. Für Irmi Mangold und ihre Kollegin Kathi Reindl ist es der Beginn eines komplizierten und äußerst vielschichtigen Kriminalfalls. Das Stück Titan ist nämlich ein Teil einer künstlichen Hüfte – und die hat, kann man anhand einer Seriennummer feststellen, dem vermißten Kilian Schwaiger gehört. In die Gülle kann es nur über den Bodensatz einer Biogas-Anlage gekommen sein. Mord also.
Nicola Förg hat wissenschaftlich gründlich über Glyphosat, Botulismus, Biogas, Milchvieh-Haltung, Baurecht und landwirtschaftliche Monokulturen recherchiert. Sie flicht aus Fakten und Romanhandlung einen äußerst spannenden Krimi, zeichnet neben dem „Stammpersonal“ interessante Figuren, gibt dem Leser einige Rätsel auf, stellt Politik und Interessenverbände an den Pranger und überrascht bis zum dramatischen Schluß mit raffinierten Wendungen.
 
Nicola Förgs Kriminalroman „Das stille Gift“ trifft als an die Verfechter von hemmungslosem Pestizid-Einsatz, Massentierhaltung, Gülle-Schwemme, Monokulturen und Genmanipulation gerichtetes Menetekel geradezu tagesaktuell den Nerv der Zeit. Als Krimi spannend und wendungsreich, als markante Sozial-Studie bewegend, als Botschaft und Warnruf nicht zu überhören. Wie Jürgen Kastens „Schmutziger Tod“, der sich mit dem Problem Dioxin befaßt, ist er meine vorbehaltslose Empfehlung wert.
Ihr neuer Roman „Rabenschwarze Beute“ steht bereits in den Startlöchern. Wir werden ihn vorstellen.
 
Nicola Förg – „Das stille Gift“
© 2017 Piper Verlag, 319 Seiten, Broschur – ISBN: 918-3-492-31105-2
9,99 €
Weitere Informationen: www.piper.de