Abgeschiedenheit, Die

Aus dem Weltlexikon

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © Frank Becker
Liebe Mitmenschen,
 
suchen wir nicht stets nach Erklärungen und Definitionen, die das Leben, den Alltag und seine Wunder und Merkwürdigkeiten, die gelegentlichen Absurditäten begreifbar, ja greifbar machen? Jeder Tag wirft einem immer wieder Worte und Begriffe an den Kopf, ohne sie hinlänglich zu erläutern. Da steht man nun und grübelt im schlimmsten Fall stundenlang über die Frage „was war das denn schon wieder?“. Selbst wer im Besitze eines großen Meyer, Wahrig oder gar des Grimmschen Wörterbuches ist, muß leider allzu oft resignieren. Unseren Kolumnisten Erwin Grosche wurmt diese Unzulänglichkeit schon lange und so hat er sich daran gemacht, dem Leben zu unserem Nutzen Erklärungen abzuringen. Das Ziel ist ein handliches Kompendium als praktische Lebenshilfe. In aller Bescheidenheit wird es „Weltlexikon“ heißen. Wir haben das Privileg, aus dem Zettelkasten des Autors das eine oder andere im Vorabdruck zitieren zu dürfen.
 
 
Abgeschiedenheit, Die:  In der Abgeschiedenheit entwickelt der Mensch neue Ideen. Wo nichts ist, kann er sich breit machen. Manchmal ist es irgendwo so schön, da könnte glatt eine Bank steh`n. Da wird der Mensch Gestalter und Organisierer. In dieser Abgeschiedenheit und Stille ist es so schön, denkt er dann, da könnte eine Bank steh`n mit einem Tisch davor. Legt der Gestalter einmal los, kann er nicht ruhen, bis alles rundum gestaltet ist. So schön ist es hier in dieser unberührten Natur, denkt er weiter, da könnte eine Bank steh`n mit einem Tisch davor und dahinter könnte eine Imbißbude zu Frikadelle und Kartoffelsalat einladen. Und natürlich müßte davor auch noch ein Parkplatz sein für Busse, die Leute bringen, die die unberührte Natur erleben wollen. So schön ist es hier. Ein großes Hotel mit Swimmingpool könnte auch noch die Sinnsuchenden empfangen. Ein Hotel „Einsamkeit“, das bewußt Leute aufnimmt, die die Stille und die Abgeschiedenheit suchen. Aber hier in der Abgeschiedenheit müßte erstmal eine Bank steh`n.
 
© Erwin Grosche
 
Übriges: Das „Weltlexikon“ wird im Oktober im Bonifatius Verlag erscheinen.