Abstandhalter, Der

Aus dem Zettelkasten

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © Frank Becker

Aus meinem Zettelkasten
 
Abstandhalter, Der: Er hatte zu sich selbst ein distanziertes Verhältnis. Er nahm sich manchmal wochenlang nicht wahr, als schöbe sich ein Fremder durch den Raum und seufzte. Er mochte sich nicht besonders. Er gab sich manchmal das Gefühl nicht zurück, das er von sich geliehen hatte. Gestern war er sich untreu. Er konnte nur so schlecht nein sagen. Wenn man nur sich hatte als Freund, dann ist man zufrieden, wenn man jemanden hat, um den man sich kümmern kann. Er hielt zu sich Abstand. Er hatte sich mal umarmt, das war ihm sehr peinlich, zumal er merkte, wie gut ihm das tat. Sein Psychiater sagte ihm oft, er müsse mehr Kontakt halten zu sich. Alte Verbindungen wieder auffrischen. Er mochte sich mal, als er Kind war. Er konnte so schelmisch um die Ecke gucken, da haben die Erwachsenen immer gelacht. Ansonsten hatte er keine Erinnerungen an sich. Seine Mutter sagte mal, er hätte immer bei ihr im Bett liegen wollen. Kann das sein?

 

 
© Erwin Grosche
 

Das
„Weltlexikon“, das sich aus Erwin Grosches Zettelkasten speist, wird im Oktober im Bonifatius Verlag erscheinen.