Eine moralische Geschichte - und wunderbares Kino

„Die Verlegerin“ von Steven Spielberg

von Renate Wagner

Die Verlegerin
(The Post - USA 2017)

Regie: Steven Spielberg
Mit: Meryl Streep, Tom Hanks, Bruce Greenwood u.a.
 
Filme über amerikanische Helden sind nötig – und das sind längst keine Cowboys mehr. Ist es Steven Spielbergs Antwort auf Trump, wenn er Journalisten als die Helden der Aufklärung – gegen alle politische Macht und Gewaltandrohung – wieder einmal preist? Er hängt es geschickt an seiner Zentralfigur auf: „Die Verlegerin“, wie der Film „The Post“ auf Deutsch heißt, hatte allerhand zu verlieren. Und sie riskierte metaphorisch Kopf und Kragen, als sie als Besitzerin der „Washington Post“ – die selbst in der Washingtoner Polit-Szene stark vernetzt war – 1971 die „Pentagon Papiere“ in ihrer Zeitung veröffentlichte.
 
Es gibt immer wieder Menschen mit einem Gewissen, das sich auf die Dauer nicht unterdrücken läßt. Auch wenn man eine zeitlang bei Schmutzereien mitgemacht hat – irgendwann wird es zu viel. Die amerikanische Politik hat in Bezug auf den Vietnam-Krieg die Bevölkerung stets bewußt und schamlos belogen, hatte behauptet, daß man (auf Grund eines Angriffs, ähnlich wie einst Pearl Harbour) in den Krieg gezwungen worden wäre. Vielmehr hatten die USA diesen selbst geplant und initiiert und in der Folge unaufhörlich Menschen und Material im Fernen Osten geopfert, obwohl man wußte, daß nichts zu „gewinnen“ war – nur um den Kampf gegen den Kommunismus weiterzuführen.
Bürokraten, die alles gern notiert haben wollen, sind angreifbar: Verteidigungsminister Robert McNamara ließ alle Details über den Vietnam-Krieg in den so genannten „Pentagon Papieren“ zusammen stellen, die streng geheim waren und dem, was die Öffentlichkeit wissen sollte, in vielem extrem widersprachen. Es war Daniel Ellsberg, Mitarbeiter im Ministerium, der aus Gewissensnot beschloß, dieses Dokument (7000 Seiten, die bis ins Jahr 1945 zurück gingen) öffentlich zu machen.
 
Das ist der Hintergrund der Geschichte, die Steven Spielberg nun eher süffig aufbereitet, wobei er zwei höchst wirkungsvolle Gestalten in den Mittelpunkt stellt. Meryl Streep spielt Kay Graham, deren Vater einst die „Washington Post“ gekauft und erfolgreich geführt hatte. Nach seinem Tod übernahm selbstverständlich nicht die Tochter, sondern der Schwiegersohn die Leitung – und erst nach dem Tod des Gatten setzte sich Kay Graham in wirtschaftlich schlimmen Zeiten selbst ans Steuerrad. Es geht natürlich auch darum, im Zeichen des Zeitgeists die Geschichte einer starken Frau zu zeigen, die Widerständen stark begegnet. Dabei bedient Meryl Streep – auch wenn sie manchmal überdeutlich über ihre persönliche Situation, die damals eine Rarität darstellte, philosophieren muß – wirklich kein Klischee. Man begegnet ihr durchaus als Society-Lady, die zu Washingtons Elite zählt und jeden kennt. Wenn über ihren Redakteursstab auf sie die Möglichkeit, eigentlich aber die moralische Forderung zukommt, die „Pentagon Papiere“ zu veröffentlichen, vollzieht man ihre Zweifel, aber auch ihren Akt der Courage nach – denn der Druck von Seiten der Politik war immens. Meryl Streep ist eine Schauspielerin, die nicht nur die äußere Erscheinung ihrer Figur bietet, sondern immer auch ihre inneren Motivationen klar macht – zweifellos ihre große Stärke, die sie über die meisten ihrer Kolleginnen hinaushebt.
 
Ähnliches kann Tom Hanks, der als Chefredakteur Ben Bradlee viel abzuwägen hat: das Risiko der Veröffentlichung für die Zeitung selbst und für ihn persönlich (sowohl die „Post“ wie auch er selbst hätten den Bach hinunter gehen können, abgesehen von drohender Gefängnisstrafe), zugleich aber auch die ungeheure journalistische Möglichkeit witterte, die darin steckte, wobei die „Washington Post“ mit der „New York Times“ gleich zog, was die faktische Gefährlichkeit des Unternehmens keineswegs verminderte. Die Regierung (mit einem tobenden Präsident Nixon) hätte durchaus am längeren Ast sitzen können… Daß dann am Ende, nach der Veröffentlichung im Sommer 1971, ein amerikanisches Gericht sich entschieden für die Pressefreiheit aussprach, ist bis heute ein glorioser Höhepunkt amerikanischer Gerichtsbarkeit. (Und dann war es wenig später die „Washington Post“, deren Journalisten Woodward und Bernstein den kriminellen Nixon mit „Watergate“ zu Fall brachten.)
 
Im übrigen sind natürlich auch die Siebziger Jahre „Geschichte“, die einen gewissermaßen „historischen“ Film ergeben – in einer „analogen“ Welt war Zeitungmachen, Informationsbeschaffung, die faktische Arbeit (die Tausenden Seiten der Papiere, die Daniel Ellsberg kopiert hatte, durchzuarbeiten und zu verwerten) eine Welt für sich, wo man auf Schreibmaschinen tippte und die einzelnen Zeitungszeilen in Bleisatz gegossen wurden, wo man sich noch heimlich traf und wenig mehr hatte als Telefone, um zu kommunizieren – nur die Alten, die sich noch an solche Zeiten erinnern, können das wirklich nachvollziehen.
Spielberg holt aus dem Milieu hohen Reiz, ebenso aus einer Reihe von Nebenfiguren (Matthew Rhys als Daniel Ellsberg, Bruce Greenwood als Robert McNamara), aber natürlich vor allem aus seinen Hauptdarstellern, denen er Zweifel und Stärke genug gibt, um die Geschichte dann (bei fast zweistündiger Spielzeit) immer spannend bleiben zu lassen.
Er hat „Kino“ gemacht, wie er es so wunderbar kann, und dabei – wie so oft – eine moralische Geschichte erzählt. Über die Aufgabe einer freien Presse, sich von einer repressiven Politik nicht unterdrücken zu lassen – und die Wahrheit zu sagen, wo es nötig ist.
 
Trailer   
 
Renate Wagner