Borodin – Mozart – Dvorak

Frühjahrskonzert des Instrumentalvereins Wuppertal unter Christoph Hilger

von Johannes Vesper

Maximilian Randlinger (Flöte), Manuela Randlinger-Bilz (Harfe) - Foto © Andreas Fischer

Borodin – Mozart – Dvorak
 
Sinfoniekonzert des Instrumentalvereins Wuppertal
im Großen Saal der Historischen Stadthalle
 
Von Johannes Vesper
 
Alexander Borodin (1833-1887) vermochte als Arzt und Chemiker Musik und Wissenschaft unter einen Hut zu bringen. Sein Leben lang beschäftigte er sich als Dilettant mit seiner Liebhaberei, der Musik und war vor allem von Robert Schumann angetan, auf den ihn Mussorgsky aufmerksam gemacht hatte.  Als Komponist wurde Borodin mit der Musik berühmter als mit seinem Brotberuf Arzt. Seine Polowetzer Tänze stammen aus der Oper „Fürst Igor“, an der er 18 Jahre komponiert hat. Und die KünstlerInnen des Instrumentalvereins Wuppertal (gegr. 1830) legten alle ihre Musikalität in diese populären Musikstücke, die hier in der Instrumentalfassung (in der Oper sind es Chorwerke) erklangen. Vor dem inneren Ohr bzw. dem inneren Auge des Publikums entstanden die Tanzszenen mit Mädchen und Soldaten am nächtlichen Lagerfeuer in lebhaften Bildern. Nach dem anrührenden Klarinettensolo zu Beginn nahm mit tiefen Schlägen der großen und Rasseln der kleinen Trommeln die Musik Fahrt auf. Immer wieder mahnten die Bratschen mit dem markanten Vierton-Abwärts-Motiv bevor die synkopischen Schlußschläge des gesamten Orchesters den Sieg der Kiptsvhaken über russische Eindringlinge feierten. Die populäre Musik fand ihren Weg bis zum Broadway-Musical, erklang auch zur Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 und eröffnete jetzt das Frühjahrskonzert des Instrumentalvereins.
 
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) schrieb das Konzert für Flöte und Harfe (KV 299) bei seinem Aufenthalt in Paris vom März bis September 1778 für einen Musikliebhaber, den Herzog von Guines und seine Tochter. Ohne Musikliebhaber lebt die Musik nicht. Die Instrumente konnte Mozart beide nicht besonders leiden. Der Herzog zahlte monatelang das vereinbarte Honorar nicht und versuchte auch noch den Preis zu drücken. So fühlte sich der 22jährige in Paris aus mehreren Gründen nicht recht wohl und das dortige Musikleben schätzte er überhaupt nicht. Im Hinblick auf die Musik , so schreibt er, „bin ich unter lauter vieher und bestien …Ich danke Gott, wenn ich mit gesundem gusto davon komme, ich bette alle tag gott, daß er mit die Gnade gebe, daß ich hier standhaft aushalten kann, daß ich mir und der deutschen Nation Ehre mache…“. Während des Pariser Aufenthaltes verstarb die geliebte Mutter, die ihn begleitet hatte. Von alledem ist aber in dem heiteren Konzert nichts zu spüren. Dem Charakter nach steht dieses Doppelkonzert der aus dem barocken Concerto grosso mit seinen Solisten entstandenen Sinfonia concertante nahe, die in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts in Paris in Mode kam. Mozart lag also mit seiner Komposition voll im Trend. Nach sinfonisch breitem orchestralem Beginn konzertieren Harfe und Flöte elegant zusammen. Heitere Musik des Rokoko, blitzsauber mit höchster Musikalität und Perfektion von den Solisten gespielt, aufmerksam und sorgfältig trotz der erstaunlich großen Orchesterbesetzung begleitet, bereitet nach mehr als 200 Jahren immer noch das reine Vergnügen. Ein Juwel im Konzertsaal. Im 2. Satz Andante schweigen die orchestralen Blechbläser. Im flinken Rondo des 3. Satzes überrascht das flinke Flötenstakkato zu perlend virtuoser Harfe. Mit ihren fabelhaften Kadenzen spielten sich die renommierten Solisten in die Herzen des Publikums. Manuela Randlinger-Bilz spielt seit 2002 als Soloharfenistin im Wuppertaler Sinfonieorchester, spielte im Bayreuther Festspielorchester und ist als erfahrene Kammermusikerin und Solistin weithin geschätzt und gefragt. Mit dem heutigen Konzert für Flöte war sie schon Südafrika und Namibia zu hören. Ihr jüngere Bruder Maximilian Randlinger (an der Flöte) gewann u.a. mehrfach erste Bundespreise bei „Jungend musiziert“ und musizierte schon solistisch mit dem Philharmonischen Orchester Bad Reichenhall, dem Kurpfälzischen Kammerorchester und beim Hildesheimer Theater. Als Orchestermusiker sammelte er Erfahrung bei Gewandhausorchester, beim Münchener Kammerorchester und dem Sinfonieorchester des Bayrischen Rundfunks.
Für Bravi, Bravissimi, Blumen und den überaus lebhaften Beifall des enthusiasmierten Publikums bedankten sich die beiden mit dem spätromantisch postimpressionistisch hingehauchten virtuosen „Entr’acte“ (Duo in der Bearbeitung für Harfe und Flöte (Original für Flöte und Gitarre) von Jaques Ibert (1890-1962).
 
Dovraks 8. Sinfonie Op. 88 in G-Dur folgte im zweiten Teil. Dvorak schrieb diese Sinfonie nach einem Besuch Tschaikowskis in Prag. Neben Smetana und Janacek gilt Antonin Dvorak (1841-1904) als der bedeutendste Vertreter der böhmischen Musik. Er schätzte und kultivierte die mährische Volksmusik, haßte, obwohl zweisprachig, die Deutschen und bewunderte Brahms, der ihn immer gefördert hat. Mit dieser Sinfonie konnte Brahms allerdings nicht viel anfangen, war jedoch von der Fülle der musikalischen Einfälle überwältigt. „Zu viel Fragmentarisches, Nebensächliches, treibt sich da herum. Alles fein, musikalisch fesselnd und schön - aber keine Hauptsachen." Formal uneinheitlich und frei, folgen hoch emotionale, stimmungsreiche Episoden nach- und aufeinander. Nach dem von mindestens zehn Celli beseelten Eröffnungsthema in melancholischem g-moll eröffnete die Flöte mit einem punktierten Motiv solistisch das musikalische Geschehen. In der Mischung aus Holzbläsern und Streichern in ausgeprägter punktierter Rhythmik zu herrlichem Unisono der Blechbläser (vor allem auch deren dynamischen Glissandi vor Schluß) entwickelt sich mehr oder weniger typischer Dvorak-Klang, wie er aus der berühmten 9. Sinfonie bekannt ist. Im 2. Satz wechseln merkwürdige Abwärtstonleitern mit kräftigem Choralmotiv und aufsteigenden Tonleiterfragmenten. Waldweben, Natur, improvisatorische Episoden aus Böhmens Hain und Flur lassen eher an eine sinfonische Dichtung als eine strenge durchkomponierte Sinfonie denken.
 
Mit den böhmischen Dorfwalzern des 3. Satzes greift Dvorak auf seine Herkunft zurück. Der musikalische Vater prügelte sein ältestes Kind von insgesamt 7 Kindern nicht durch die Metzgerlehre, sondern ermöglichte ihm eine gediegene musikalische Ausbildung. Und als Jugendlicher und Student verdiente sich der junge Anton sein Geld als Mitglied einer dörflichen Tanzkapelle. Musikantisches Temperament und Einfälle wurden so entwickelt und später, Pfeife rauchend, auf die gestärkten Manschetten seiner Hemden notiert. Mit stets motivierendem und klarem Dirigat moderierte Christof Hilger souverän den großen Orchesterapparat mit dem Ergebnis erstaunlicher Dynamik und beglückender Pianissimi. Den letzten Satz eröffneten die Trompeten mit makelloser Fanfare bevor die zahlreichen Celli ihr schönes Thema vortrugen. Nach sich überschlagenden Tempi und Abwärts-Chromatik beruhigt sich der musikalische Fluß über sonorem, an vom Baum fallende Pfirsiche erinnerndes Kontrabaß-Pizzicato noch einmal vor der stürmischen Schlußapotheose. Danach brach ebensolcher Applaus des begeisterten Publikums los, wofür sich das Orchester mit Elgars herrlicher, hoch emotionaler „Nimrod“ -Variation aus den Enigma-Variationen bedankte. Das Konzert zeigte, was die Musik für ihre Liebhaber bedeutet.