Jubiläumskonzert der Weltstars in Wuppertal

30 Jahre Klavierfestival-Ruhr und Initiativkreis Ruhr

von Johannes Vesper

Foto © Peter Wieler

Jubiläumskonzert der Weltstars in Wuppertal
 
30 Jahre Klavierfestival-Ruhr und Initiativkreis Ruhr
 
Von Johannes Vesper
 
Kohle und Stahl kennzeichnen nicht mehr das Ruhrgebiet. Ehemals definierte der legendäre Adolf Tegtmeyer dem Kumpel von der Ruhr seine Kultur. Er ist seit Jahrzehnten tot. Mit den Ruhrfestspielen wurde nach dem Kriege eine Verständigung zwischen Kultur und Maloche versucht. Klavier-Festival- Ruhr und der Initiativkreis Ruhr, gegründet 1988 mitten in der Kohle-und Stahlkrise, gelten zu Recht als Leuchtturmprojekte des inzwischen gelungenen Strukturwandels. Beide feiern 2018 ihr 30jähriges Jubiläum. In den 30 Jahren des Bestehens gab es ca. 2.000 Konzerte mit 2.104 Pianisten und mehr als 1,2 Millionen Besuchern im Ruhrpott. Dabei bietet das Klavierfestival-Ruhr nicht nur Konzerte der Spitzenklasse sondern verfolgt dank großzügiger Sponsoren zusätzlich eine Vielzahl von Bildungsinitiativen. Dem weltweit größten, vollständig privat finanzierten Pianistentreffen und seinem künstlerischen Leiter Franz Xaver Ohnesorg sind Musiker und Musikerinnen aller Herren Länder verbunden. Und die Weltstars der Musik kamen an diesem Abend in den prächtigen Saal der Historischen Stadthalle Wuppertal auf dem Johannisberg und schenkten unter Verzicht auf Gagen dem Intendanten zum 70. Geburtstag bzw. dem Klavierfestial-Ruhr zum Jubiläum dieses Konzert, welches es so noch nicht gegeben hat: ein Musikfestival der Großen, komprimiert auf einen Abend in einmaliger und erstmaliger Kombinationen von Künstlern.


Juliane Banse, Gerhard Oppitz - Foto © Mark Wohlrab
 
Joseph Moog und Gerhard Oppitz eröffneten das Fest mit Schuberts Rondo zu vier Händen (D608 op. Posth.138). Subtil, differenziert entwickelte sich Melancholie und löste sich wieder. Anschließend, begleitet nicht von Johannes Brahms – er sah aus der Ferne so aus, aber nein, es war doch Gerhard Oppitz - sang Juliane Banse (Sopran) drei Schubert-Lieder (Im Abendrot - Oh wie schön ist deine Welt - Bei dir allein). Die ganze Seele Schuberts breiteten die beiden vor dem atemlosen Publikum aus. Joseph Moog moderierte den Abend souverän und humorvoll, berichtete Anekdoten, und dem Zuhörer dämmerte es, daß der Anteil Ohnesorgs und seine persönlichen Freundschaften am Erfolg des Klavierfestivals Ruhr in den 30 Jahren kaum überschätzt werden können. Olli Mustonen faszinierte mit den vertrackten, technisch höchst anspruchsvollen 12 Waldmädchen-Variationen Ludwig van Beethovens (aus dem gleichnamigen Ballett von Paul Wranitzky), zwischendurch immer wieder seine Hand-Arm-Muskulatur lockernd mit chorea-athetonischen Bewegungen hoher Amplitude. Adrian Brendel gratulierte dem Jubilar u.a. mit einem solistischen Geburtstagsgruß von György Kurtag. Nachdem Vater Alfred Brendel mit seinem Fernrohr den Klavierheiligen der Ruhr bzw. das Klaviergebirge der Region identifiziert und ihm mit seinem Geburtstagsgedicht gratuliert hatte, spielte Adrian Brendel noch aus der 3. Solosuite von J. S. Bach die Sarabande: flott, tänzerisch, konzertant drang der edle Celloklang bis in den hintersten Ecken des großen Saal.


Alfed Brendel - Foto © Mark Wohlrab
 
Mucksmäuschenstill wurde es im Saal unter den Stücken aus Tschaikowskys Kinderalbum op. 39 („Russischer Tanz“, „Deutsches Lied“, „Walzer“, Süße Träumerei“), die Elena Bashkirowa spielte und bewegend selbst ansagte. Zu einer pianistischen Großtat steigerten sich vor der Pause Martha Argerich und Sergio Tiempo temperamentvoll und unbändig spielfreudig mit La Valse von Maurice Ravel zu vier Händen. Diesen sinfonischen Walzer, mit dessen gewaltiger Rhythmik und Dynamik sozusagen die Katastrophe des 1. Weltkrieges als Totentanz vorweg genommen wurde, haben die beiden Flügel unbeschadet überstanden. Nach begeisterndem Applaus strebte das Publikum des ausverkauften Hauses in die Pause um sich zu erfrischen.
 
Maki Nemekawa und Dennis Russel Davies stimmten mit drei Tänzen aus „On the Town“ von Leonard Bernstein auf einen lockeren 2. Teil des Konzertes ein. Anne Sophie Mutter (Violine) und Katia Buniatshvili (Klavier) ließen die Herzen höher schlagen mit „Summertime“ und „It A in`t Necessarily So“ aus „Porgy and Bess“ (Bearbeitung Jascha Haifetz). Bei solch eleganter Tongebung mit angedeuteten Glissandi und hinreißenden Doppelgriffen setzte man sich nach vorne auf die Stuhlkante um alles genau aufzunehmen.


Anne Sophie Mutter und Katia Buniatshvili - Foto © Mark Wohlrab
 
Zu vorletzt kam Thomas Quasthoff mit seinen Freunden: Till Brönner (Trompete) und Dietmar Ilg (Baß), mit dem Pianisten Frank Chastenier im Duo, und mit allen im Quartett. Schon bei seinem Konzert im Juli 2017 an gleichem Ort hatte er mit seiner Zugabe das Versprechen gegeben wiederzukommen: „We´ll be together again“. Damals wie jetzt: glänzend, souverän, humorvoll, klanggewaltig, zart. Wunderbar, wie die Freunde sich um versammeln, wie der Pianist die Saiten seines Flügels streichelt und welche musikalische Melancholie Trompete und Kontrabaß ausstrahlen können.
Zuletzt riß -attacca- Michel Camilo mit seinem aberwitzig virtuosen aufregenden Jazz–Set, einem strepitösen finale furioso der Extraklasse auf dem Flügel das Publikum vom Hocker. Nach Bravo Bravissimoi und überschäumendem Applaus kamen alle Künstler des Abends auf die Bühne und der ganze Saal sang zu Camilo und Brönner „Happy Birthday“ für Franz Xaver Ohnesorg. Ein großer Abend!.
 
Der Erlös des Benefizkonzertes kommt dem Klavierfestival-Ruhr zugute, welches mit seinem Education-Programm für Kinder und Jugendliche auch die aktuellen gesellschaftlichen Probleme der Region erfolgreich angeht. Wie Integration mit Klavier- und klassischer Musik, mit Jazz, Tanz, experimentellen Ansätzen und auch mit zeitgenössischer Musik möglich wird, kann man unter www.klavierfestival.de und www.explorethescore.de erfahren. Mit dem Sacre du printemps mit Schülerinnen und Schülern in Duisburg-Marxloh wird wie mit Musik und Tanz schon seit Jahrtausenden das menschliche Miteinander befördert. Man feiert inzwischen dort das 10jährige Jubiläum der flächendeckenden Stadtteilarbeit. Und schon die Kleinen sind mit Little piano garden /Klaviergarten für das Instrument zu begeistern. Das Gesamtprogramm des Klavierfestivals-Ruhr ist unter www.klavierfestival.de und unter http://www.musenblaetter.de/artikel.php?aid=21836& einsehbar.
 
Wir danken den Fotografen Mark Wohlrab und Peter Wieler für die Überlassung der Bilder.