Mütter und Töchter

Beeindruckende Lesung und Musik mit Silvia Munzón López, Marina Matthias und Freya Deiting

von Frank Becker

v.l.: Freya Deiting, Marina Matthias, Silvia Munzon Lopez - Foto © Frank Becker

Mütter und Töchter
Liebe, Haß und das ewige Band…
 
Beeindruckende Lesung und Musik mit
Silvia Munzón López, Marina Matthias und Freya Deiting
 
Ein Konflikt taucht wohl in jeder Mutter-Tochter-Beziehung irgendwann auf, wenn das Kind sich seiner selbst bewußt wird. Und nicht immer kann das gelingen, was Mütter sich wünschen, nämlich von der Erzieherin und Behüterin zur „besten Freundin“ zu werden. Doch unverrückbar fest steht: Tochter bleibt man, Mutter auch – ein Leben lang. So stellt es der Text zu einer Lesung mit Silvia Munzón López und Marina Matthias sachlich fest, den man, hat man die Veranstaltung erlebt, hier getrost weiter zitieren kann: „Die eine kann nicht ohne die andere, und zwar jenseits des Klischees der allseits liebenden Mutter. Ein Band ist zwischen ihnen, das nur schwer zu trennen ist, auch wenn Enttäuschung, Schmerz und Verletzung die Beziehung beider prägen. Oder ein zu viel an Liebe, die nicht atmen läßt, die nicht loslassen kann. Also ein extrem emotionales Verhältnis. Doch ist das wirklich so? Bewegen sich Mütter und Töchter stets in einem Kreislauf von Vorwurf und Vergebung, von psychischen und emotionalen Fallstricken und Abgründen? Geht es zwischen Mutter und Tochter auch unkompliziert? Einfach nur liebe- und respektvoll?“
 

v.l.: Marina Matthias, Silvia Munzon Lopez - Foto © Frank Becker

Die Schauspielerinnen Silvia Munzón López und Marina Matthias begaben sich am  vergangenen Sonntag vor ausverkauftem Haus im Saal der Katholischen Stadthauses in einer szenischen Lesung, begleitet und kongenial ergänzt durch das anrührende Spiel der Violinistin Freya Deiting, auf eine literarische Spurensuche. Durch ein geschicktes Stellungsspiel im Raum dramaturgisch hervorragend gelöst, gelang den drei Künstlerinnen fesselnd eine Visualisierung der allumfassenden Liebe, aber auch des zerstörenden Konfliktes in Mutter-Tochter-Beziehungen, der auch Autorinnen und Autoren in vielfacher Form angeregt hat.
Nach der Eröffnung mit beredtem Schweigen und Ausschnitten aus Astor Piazzollas „Tango Ballett“ forderte die Gerichtsszene aus Bertolt Brechts „Der Kaukasische Kreidekreis“ mit emotionaler Gewalt die Aufmerksamkeit, des Publikums, das von da an im Wechsel von Text und Musik nicht mehr losgelassen wurde. Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ („Du bist noch zu jung für die Liebe…!!!“), Elena Ferrantes „Die Geschichte der getrennten Wege“ aus Band 3 ihrer Neapolitanischen Trilogie, Nathan Hills „Geister“, „Der Susan-Effekt“ von Peter Høeg, die „Elektra“ des Sophokles und „Paula“ von Isabel Allende („Hör mir zu, Paula, ich werde dir eine Geschichte erzählen, damit du, wenn du erwachst, nicht gar so verloren bist.“) waren unter anderen der Textsteinbruch, aus dem Marina Matthias und Silvia Munzón López ihre dramatischen Skulpturen schlugen und elementar Gefühle sichtbar, fühlbar machten. Zu einem provokanten Schmankerl mit Silvia Munzón López wurden die „Küchennotizen“ von Rodrigo Garcia, dessen „Soll mir lieber Goya den Schlaf rauben als irgendein Arschloch“ erst kürzlich in einer Lesung mit Stefan Walz Furore gemacht hatte.


Freya Deiting - Foto © Frank Becker
 
Die begleitende, illustrierende, konterkarierende Musik dazu hatte Freya Deiting mit sicherem Gespür für Wirkung und Stimmung ausgesucht: Antonin Dvoraks „Humoreske“, Nino Rotas Thema aus „The Godfather“, die „Novelette“ von Jean Sibelius, Peter I. Tschaikowskis „Nussknacker-Marsch“ und Leonello Casuccis „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ und Stings „Whenever I say your name“ gehörten dazu. So, wie Marina Matthias und Silvia Munzón López mit der ganzen Bandbreite ihrer Stimmen in Humor und Drama das Publikum mitnahmen, taten es auch die paßgenauen, faszinierenden Violin-Soli von Freya Deiting, deren ästhetisch-elegante Präsenz zur Inszenierung ein übriges tat.
Solch bewegende, genußvolle Literatur-Programme sind umso höher einzuschätzen, weil sie in ihrer emphatischen Art ein Thema anzugehen und zu vermitteln selten gewordene Perlen sind. Es war zu erfahren, daß das Teo Otto Theater in Remscheid das Programm klugerweise bereits für die kommende Spielzeit eingekauft hat.
Bleibt die am Rande  Frage, warum die Veranstaltung den englischsprachigen Titel „Love and Hate“ tragen mußte – und die Anregung, daß ein paar Minuten und ein, zwei Texte weniger in der eine Stunde und vierzig Minuten währenden Vorstellung (eine Pause gab es klugerweise nicht) vielleicht noch effektiver gewesen wären.


Silvia Munzon Lopez - Foto © Frank Becker
 
Eine Veranstaltung des Katholischen Bildungswerks Wuppertal/Solingen/Remscheid in Kooperation mit der Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V. Gruppe Wuppertal (GEDOK)