Unzeitgemäße, herrliche Musik eines Spätromantikers

Sofja Gülbadamova spielt Klaviermusik von Ernst von Dohnányi

von Johannes Vesper

Sofja Gülbadamova spielt Klaviermusik
von Ernst von Dohnányi
 
Von Johannes Vesper
 
Für ihre Verdienste in den Türkenkriegen des 17. Jahrhunderts wurde die ungarische, ursprünglich aus Dohna/Sachsen stammende Familie Dohnanyi geadelt. Daß Ernst (Ernö) von Dohnányi (1877-1960) 1945 als Kriegsverbrecher angeklagt werden würde, konnte er zu Beginn seiner glänzenden Pianisten-Karriere und als junger Dozent an der Berliner Musikhochschule nicht ahnen. Auch nicht, daß sein ältester Sohn, der eine Bonhoeffer geheiratet hatte, von den Nazis wegen Widerstands gegen Hitler hingerichtet wurde, während der jüngste als Soldat im 2. Weltkrieg umkam. Der große ungarische Pianist und Virtuose war stets der Musik seiner Landsleute Bartok und Kodaly zugetan, als Komponist orientierte er sich aber stark an Johannes Brahms, der 1895 für die Uraufführung seines Klavierquartetts in Wien gesorgt hatte. Während er seine ersten jugendlichen Kompositionsversuche sämtlich verworfen hatte, begann er mit knapp 20 Jahren eine glänzende Pianistenlaufbahn, unterrichtete von 1905-1915 an der Berliner Musikhochschule, prägte nach seiner Rückkehr als Dirigent, Pianist und Direktor der Budapester Musikakademie (bis 1941) das Musikleben Budapests. In den 20er Jahren bekam er politische Schwierigkeiten mit dem reaktionären Horthy-Regime, wurde zeitweise aus der Musikakademie entlassen und hielt sich mit Konzerten und Konzertreisen bis in die USA über Wasser. Noch 1943 gründete er das Budapester Rundfunk-Sinfonieorchester (Symphony Orchestra of the Hungarian Radio and Television), setzte sich für „seine“ jüdischen Musiker ein und floh in das von Nazi-Deutschland besetzte Österreich, als Budapest von der Roten Armee eingenommen zu werden drohte. 1945, wohl auf Grund einer Lüge als Kriegsverbrecher der Kollaboration mit den Nazis angeklagt, zog er zunächst nach Argentinien und 1949 in die USA. Dort unterrichtete er an der Florida State University in Tallahassee und wirkte als Pianist bis zu seinem Tode. Zu seinen berühmtesten Schülern zählen Geza Anda, Christoph von Dohnanyi, Ferenc Fricsay u.a.
 
Das ideenreiche kompositorische Werk Dohnanyis in seinem opulenten Klangreichtum blieb der Spätromantik verbunden. Auf ihrem Doppelalbum präsentiert Sofja Gülbadamova an Schubert, Schumann und Brahms erinnernde Klaviermusik des Komponisten. Das Programm wurde vom Deutschlandfunk Kultur aufgenommen. Lyrisch, tänzerisch, ernst, mit furioser Virtuosität und großer Sensibilität spielt die Pianistin souverän frühe und spätere Klavierstücke, Rhapsodien, Humoresken und Bagatellen des von ihr sehr geschätzten Dohnanyi. Mit ihrem Engagement für diesen wahrscheinlich größten Pianisten in der 1. Hälfte des 20 Jahrhunderts nach Franz Liszt fesselt die Pianistin ihr Publikum. Die Klavierstücke op. 41 von 1945 lassen weder an die persönlichen Katastrophen des Komponisten noch an die politischen der Zeit oder an die musikalische Entwicklung in der 1. Hälfte des 20 Jahrhunderts denken. Unzeitgemäße, herrliche Klaviermusik eines vom Leben benachteiligten spätromantischen Musikers. 
 
Sofja Gülbadamova - Ernst von Dohnányi,  Piano Works 
© 2015 Deutschlandfunk Kultur / Capriccio DDD, 2 CD Set. - UPC: 845221053325
 
CD1:
Winterreigen – zehn Bagatellen op. 13 (1905)
1. Widmung – 2. Marsch der lustigen Brüder- 3. An Ada -  4. Freund Victor`s Mazurka – 5. Sphärenmusik – 6. Valse aimable – 7. Um Mitternacht – 8. Wilde Gesellschaft – 9. Morgengrauen -10. Postludium
Klavierstücke op.2 / Piano Pieces Op. 2:
11. –Scherzo cis-moll – 12. Intermezzo a-moll (Vivace) – 13. Intermezzo f-moll (Sostenuto, con espressione) – 14. Capriccio h-moll (Presto, agitato)
Klavierstücke op. 41:
15. Impromptu – 16. Scherzino – 17. Canzonetta – 18. Cascades – 19. Ländler – 20.  Cloches
 
CD 2:  1. Albumblatt F-Dur – 2. Gavotte& Musette H-Dur
Fünf Humoresken in Form eine Suite Op 17(1907):
3. Marsch (allegro moderato) – 4. Toccata (Allegro molto) – 5. Pavane aus dem 16. Jahrhundert mit Variationen – 6. Pastorale (Andante con moto) – 7. Introduktion und Fuge
Vier Rhapsodien op. 11:
8. Rhapsodie g-moll (Allegro non troppo, ma agitato) – 9. Rhapsodie fis-moll (Adagio capriccioso) – 10. Rhapsodie C-Dur (Vivace)  – 11. Rhapsodie es-moll (Andante lugubre)