Literatur auf dem Scheiterhaufen

Die Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten

von Andreas Rehnolt

Bücherverbrennung, Bundesarchiv Bild 102-14597 - Berlin Opernplatz

Literatur auf dem Scheiterhaufen
 
Am zehnten Mai jährten sich zum 85. Mal
die Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten
 
 
Düsseldorf - Mit Ausstellungen, Lesungen und Gedenkveranstaltungen erinnern verschiedene Organisationen im Mai und Juni an die Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten vor 85 Jahren. Am 10. Mai 1933 verbrannten die braunen Machthaber in einer „Aktion wider den undeutschen Geist“ in 22 deutschen Universitätsstädten zehntausende Bücher von Autoren, die ihnen mißliebig waren. 
 „Hitler wußte, warum er die Künstler, alle Künstler, durch den Scheiterhaufenprozeß der entarteten Kunst zum Schweigen verurteilte. Weil von wahrer Kunst Schärfung des Gewissens, Stärkung des Geistes, Kritik an der Halbwahrheit ausgeht, Weil sie Aufruf zur höchsten Menschlichkeit ist“. So der Schriftsteller und Kritiker Alfred Kerr, der selbst 1933 nach England emigrierte.
 
Wuppertal war die erste Stadt im heutigen Nordrhein-Westfalen, wo bereits am 1. April 1933 Bücher verbrannt wurden. Unter anderem vor dem Rathaus im Stadtteil Barmen. Auch die Werke der aus Wuppertal stammenden jüdischen Autorin Else Lasker-Schüler wurden Opfer der Flammen. Überall grölte der entfesselte Mob damals bei den Aktionen, mit denen vermeintlich auch die Freiheit der Gedanken beendet werden sollte.
Wochen vor dem 10. Mai 1933 hatte das damalige Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Listen mit Buchtiteln und den Namen von Autoren zusammengestellt. Unter deutschnationalen Kampfgesängen und pathetischen Reden wurden die Bücher dann ins Feuer geworfen. Zu den unerwünschten Autoren zählten etwa Bertold Brecht, Robert Carr, Alfred Döblin, Heinrich und Klaus Mann, Karl Marx, Carl von Ossietzky, Siegmund Freud, Erich Kästner, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky, Egon Erwin Kisch, Franz Werfel, Theodor Wolff oder Arnold und Stefan Zweig.
 
„Allein die Zahl der exilierten deutschen Schriftsteller wird auf bis zu 2.000 geschätzt“, schrieb der Vorsitzende der Else-Lasker-Schüler

© 2008 Verlag Damm und Lindlar
Gesellschaft, Hajo Jahn, in dem 2008 im Verlag Damm und Lindlar erschienen Buch „Himmel und Hölle zwischen 1918 und 1989 - Die verbrannten Dichter“. Alle geeint habe „der Widerstand gegen das NS-Regime und seine Unfreiheit. Sie verband eine andere Ästhetik, als die der Nazis“, so Jahn weiter.
Seit Januar 2015 gibt es in der Klingenstadt Solingen ein „Zentrum für verfolgte Künste“. Dort wird nicht nur an die berühmt gebliebenen Autoren erinnert, sondern auch an die weitaus größere Zahl derjenigen Schriftstellerinnen und Schriftsteller, deren Werke von den Nazis verbrannt, die im Exil ums Leben kamen und die im Nachkriegsdeutschland auch literarisch vergessen wurden.
Die Bücher brannten, weil sie kommunistisch, sozialistisch, liberalistisch, pazifistisch oder auch anarchistisch waren. Und weil sie angeblich die Geschichte verfälschten, das Ansehen deutscher Soldaten beschmutzten, Familie und Kirche verhöhnte, von jüdischen Autoren stammten oder jüdische Themen behandelten, erotisch oder „sittenlos“ waren.
Alleine in Berlin wurden bis Ende Mai 1933 rund 10.000 Zentner Literatur beschlagnahmt und vernichtet. Berühmt wurde der solidarische Aufruf „Verbrennt mich!“ des bayerischen Schriftstellers Oskar Maria Graf (1894-1967), der sich mit einigen seiner Werke auf der „Weißen Liste“ der vom NS-Regime empfohlenen Bücher wiedergefunden hatte.
 
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels beging den 85. Jahrestag der Bücherverbrennungen mit einer zentralen Gedenkveranstaltung am 7. Mai im Historischen Museum Frankfurt/Main. Autorinnen und Autoren gaben ihren Kolleginnen und Kollegen von 1933 ihre Stimme. Sie lasen aus Werken, die vor 85 Jahren verbannt und den Flammen ausgeliefert wurden. Gespräche und Wortbeiträge gedachten des Geschehens und rückten die Bedeutung des Gedenktages in der heutigen Zeit in den Blick.
 
In mehreren deutschen Städten, etwa in Berlin, Göttingen und Düsseldorf, weisen Gedenktafeln unweit von Orten, an denen die Nazis die Scheiterhaufen für die Literatur errichteten, mit einem Heine-Zitat auf die Untaten hin: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“
Kaum jemand allerdings kennt den Zusammenhang, aus dem das Zitat stammt. Heine schrieb es in seinem 1823 veröffentlichten Jugenddrama „Almansor“. Es bezieht sich auf die Unterdrückung des Islam durch die Inquisition im Spanien des 15. Jahrhunderts. Und doch wurde die nächtliche Aktion der Nazis am 10. Mai 1933 zum Auftakt für das Menschheitsverbrechen Holocaust. Vom Scheiterhaufen für Druckwerke führte ein direkter Weg zu den Leichenöfen von Auschwitz und anderen Konzentrationslagern.
 
Redaktion: Frank Becker