Ein schöner Film

„Goodbye Christopher Robin“ von Simon Curtis

von Renate Wagner

Goodbye Christopher Robin
(GB 2018)

Regie: Simon Curtis
Mit:
Domhnall Gleeson, Margot Robbie, Kelly Macdonald, Will Tilston, Alex Lawther u.a.
 
Es ist eine mehr oder minder wahre Geschichte mit all ihrem emotionalen Auf und Ab, es geht um Vater und Sohn, es geht um Krisenbewältigung, es geht um Literatur, es geht um eine grausame Medienwelt – und das alles am Beispiel eines der berühmtesten Kinderbücher der Welt: „Pu der Bär“ (Winnie-the-Pooh).
 
Alan Alexander Milne (1882 – 1956), bekannt als A.A. Milne, von seiner Frau „Blue“ genannt, kehrte als gänzlich verstörter, gebrochener Mann aus dem Ersten Weltkrieg heim, immer wieder von seinen Fronterfahrungen heimgesucht, die ihn periodisch überfielen und lähmten. Seine elegante Frau Daphne hatte nicht wirklich Verständnis für ihn – am wenigsten für sein Bedürfnis, nun nur noch Anti-Kriegs-Bücher zu schreiben. Krieg würde es immer geben, sagt sie ihm realistisch. Sie wird recht behalten.
Als Daphne duldet, daß sie sich mit ihrem kleinen Sohn Christopher Robin Milne, genannt „Billy“, und dessen geliebter Nanny in Sussex in einem schönen Landhaus niederlassen, hält sie es in der Einsamkeit nicht lange aus. Als die Nanny weg muß, um ihre kranken Mutter zu pflegen, sind der verstörte Vater und der kleine Sohn allein in der schönen Landschaft und wandern durch die Wälder… Den Teddybären, der scheinbar sprechen kann, hat noch Daphne zurück gelassen.
Der liebenswerte, lockige, altkluge kleine Junge ist zwar ein Kino-Klischee erster Ordnung, aber es kommt darauf an, wie man es handhabt. Der Zwang, sich mit Billy zu beschäftigen, holt den Vater zwar nicht gänzlich aus seiner Depression, führt ihn aber in heilende Phantasie-Welten, als der Junge und der Papa sich in der Natur Geschichten um einen Buben und seine tierischen Freunde ausdenken. Das ist gänzlich glaubwürdig.
Aber weil Papa ja doch ein Autor ist, kann er es nicht lassen, aus dieser wunderbaren privaten Welt mit seinem kleinen Sohn – hier werden mit geschicktem Dialog und ausgewogener Regiekunst von Simon Curtis wundervolle Szenen gesponnen – ein Buch zu machen. Freund Ernest H. Shepard wird herangezogen, die Geschichte des Jungen „Christopher Robin“ und seines Bären zu illustrieren… der Rest ist ein Himalaya der Kinderliteratur.
 
Nach dem überwältigenden Erfolg von „Pu der Bär“ diesseits und jenseits des Ozeans kehrt zwar Daphne hoch erfreut zurück, endlich als Gattin eines Erfolgsautors und eines kleinen Sohnes, der plötzlich ein „Star“ ist, aber damit bricht auch alles auseinander und zusammen. Gibt es wirklich erst seit dem Internet und den Sozialen Medien eine alles beherrschende Medienwelt? So, wie der Film es schildert, bricht zumindest für den kleinen Billy die Welt zusammen – geschleppt zu Interviews, Fototerminen, in Spielzeugläden, Verwertung rund um die Uhr, selbst der Anruf des Vaters, den er für privat hält, wird von einer Radiogesellschaft live ausgestrahlt. Es war damals so widerlich, wie es heute ist.
Es ist eine geradezu klassische Geschichte über den Verkauf des Privaten an die Öffentlichkeit – und es war der kleine Junge, der es ausbaden mußte. Einerseits als Bären-Held in den Himmel gehoben, andererseits beneidet, beschimpft und gemobbt, und am Ende (das ist der literarische Bogen, den die Geschichte schlägt) wie der Vater in einen Krieg geschickt. Das Happyend trieft, und dennoch ist man froh darüber, denn das ist natürlich eine Geschichte, die trotz der heiklen (und auch übersteigerten) Gefühlswerte ihre starke Wahrheit und Aussagekraft hat.
 
Domhnall Gleeson, Sohn eines berühmten Vaters (dem er wie sein Bruder in der darstellerischen Potenz nicht wirklich nahe kommen), ist der eigentlich den ganzen Film hindurch verstörte A. A. Milne, während Margot Robbie als die strahlende, oberflächliche Blondinen-Gattin mehr überzeugt – so einen Typ meint man zu kennen. Eine heikle Rolle hat Kelly Macdonald als liebende Nanny, die ihrem Brotherrn auch einige Wahrheiten sagt, und sie macht das großartig. Im übrigen ist es der Film des achtjährigen Will Tilston, dessen Altklugheit nie penetrant wirkt und dessen Gefühle stets ergreifen. Aber auch der ältere Billy, der in den Krieg zieht, ist mit Alex Lawther (der dann laut Drehbuch viel von der „Moral“ der ganzen Geschichte zusammen fassen muß) exzellent besetzt.
Kurz, ein Film, der so vieles abdeckt, möglicherweise leicht sentimental die Papa-Sohn-Geschichte, nachdrücklich die Frage, wie es so geht mit der Literatur und der Öffentlichkeit… Ein schöner Film jedenfalls, wie immer man ihn auch betrachtet.
 
 
 
Renate Wagner