Es ist wie bei Champagner, man will mehr davon!

Richard Strauss - Eine Alpensinfonie in Hof, mit Bildern von Tobias Melle

von Alexander Hauer

Foto © Thomas Schrader

Hofer Symphoniker
Richard Strauss - Eine Alpensinfonie op. 64
mit Bildern von Tobias Melle

Hofer Symphoniker
Klangvereinigung Wien
Ensemble der Hochschule für Musik
Franz Liszt Weimar

Johannes Wildner
Daniel Spaw


Beim Thema Alpensinfonie reagiere ich wie der Pawlowsche Hund. Es ist nun mal eines der interessantesten Werke von Richard Strauss. Es war also eine Selbstverständlichkeit, daß ich den Hofer Symphonikern wieder einen Besuch abstattete. Wer meine Besprechungen der Hofer Opern verfolgt weiß, daß ich für dieses Orchester über Jahre hinweg eine besondere Liebe hege. Einerseits wegen dessen Vielfältigkeit, andererseits wegen seiner überragenden Leistungen.
Was mich etwas abschreckte, war der Große Saal der Freiheitshalle und der Zusatz „mit Bildern von Tobias Melle“. Nun, meine Ängste waren völlig unbegründet, aber dazu später.

Wolfgang Amadeus Mozart - Symphonie Nr. 35 D-Dur KV385 „Haffner“
 
Also, vor der Pause, quasi als erster Gang, servierten die Hofer Mozarts Haffner Sinfonie. Was Leichtes vor der schweren Kost…
Und dann die erste Überraschung, der große Saal der Freiheitshalle funktioniert auch als Philharmonie. Dank einer ausgeklügelten und subtil eingesetzten Verstärkung erzielte man einen Raumklang mit Nachhallzeiten, von denen frisch renovierte Opernhäuser träumen.

Das Orchester betritt die Bühne und wirkt etwas verloren zwischen all den leeren Pulten. Aber dann, innerhalb von Sekunden verspürt man die Lebensfreude Mozarts, die er beim Schaffen dieses Werkes gefühlt habe muß. Erste große Erfolge in Wien, die Aufregungen um die bevorstehende Hochzeit mit dem Stanzerl und er selbst kurz vor dem absoluten Höhepunkt seines Könnens.
Johannes Wildner gibt der Haffner durchaus autobiographische Züge. Seine charmante Art, die er in der Einführung offenbarte, spiegelt sich auch in seinem Dirigat. Leicht und luftig, um Wilhelm Buschs Fromme Helene zu zitieren, perlt dieses Werk dahin, nicht ohne den Ernst aus den Augen zu verlieren. Eine perfekte Stimmung zwischen den einzelnen Instrumentengruppen öffnet die Ohren für das schelmische, für den Schalk Mozarts. Ein jubelndes Publikum ging vergnügt in die Pause.

Zurück aus dem tropisch aufgeheizten Hof in die wohlklimatisierte Halle. Alpensinfonie. Jetzt wirkt die Bühne beinahe übervoll. Diese seit Jahren wohl größte Produktion der Hofer verpflichtet das gesamte Ensemble plus die Klangvereinigung Wien plus ein Fernorchester, insgesamt gut 130 Musiker.

Drei Orchester, zwei Dirigenten


Johannes Wildner, gern gesehen Gast in Hof, schafft es, diesen riesigen Orchesterapparat zu einem homogenen Klangkörper zu vereinen. Daniel Spaw, quasi über die Straße am Theater verpflichtet, leitet das Fernorchester wirklich aus der Ferne, unter dem Dach der Freiheitshalle stehen seine Damen und Herren.
Soweit das übliche Prozedere eines Konzerts. Der Saal verdunkelt, und wird immer dunkler, nur noch die Notausgangsleuchten spenden ein schummriges Licht, das Orchester spielt die ersten Takte auch bei unbeleuchteten Pulten, ein projizierter Vollmond spendet noch etwas Licht. Es ist Nacht wenn Wildner und Melle uns bei der Hand nehmen und uns die Bergwelt Berchtesgadens zeigen. Mit dem Sonnenaufgang wird es auch wieder für das Orchester heller, Melles Bilder ersetzen das eigene Kopfkino. Sie unterstreichen die Strauss‘schen Naturschilderungen ohne sich selbst in den Vordergrund zu spielen, der Begriff des Gesamtkunstwerks liegt nahe, und er beschreibt es auf die wunderbarste Art.
 
Die Intensität der Musik zusammen mit der Bebilderung führt dann vom normaltouristischen Weg, mit dem üblichen Blick auf den Königssee samt Malerwinkel und St. Bartholomä, steil hinauf ins Hochtouristische. Vorbei an Sennhütten, immer wieder einen Blick ins Tal werfend, nähert man sich unwirtlichen Regionen. Auch hier unterstreichen die Bilder die Musik. Die Auswahl Tobias Melles zeigt auch die Gefahren hinter der Erhabenheit der Bergwelt. Und wer einmal ein richtiges Gewitter in den Bergen erlebt hat, weiß wovon man spricht.
Nach überstandenem Abenteuer im Hochgebirge freut man sich auf den Abstieg und kommt wieder bei Nacht im sicheren Tal an.
Dieses Werk im allgemeinen und diese Aufführung im besonderen machen den Konzertbesucher demütig. Keine Demut im religiösen Sinne, eine Demut vor der Natur, ihrer Schönheit, aber auch ihrer Gefahren. Aber auch eine Demut vor den Leistungen der Musiker und den Solisten.
Ein spät einsetzender Applaus belohnte dann Wildner und seine Orchester mit einer frenetischen Stärke, die man sonst nur von Festivals wie Wacken gewohnt ist.
Fazit, es ist wie bei Champagner, man will mehr davon!

Alexander Hauer, besuchtes Konzert am 9. Juni 2018