...und dann trieft die Humanitätsbotschaft natürlich.

„Roma Armee“ von Yael Ronen und Ensemble

von Renate Wagner

Hamze Bytici, Orit Nahmias, Lindy Larsson, Riah May Knight, Mihaela Dragan, Mehmet Atesci - Foto © Ute Langkafel / Maifoto

Wien, Volkstheater:
Roma Armee
von Yael Ronen und Ensemble

Nach einer Idee von Simonida und Sandra Selimović
Gastspiel des Maxim Gorki Theaters Berlin
Besucht wurde der zweite und letzte Abend am 17. Juni 2018
 
Yael Ronen hat einen festen Platz im Volkstheater der Anna Badora. Offenbar produziert sie allerdings mehr, als ein einzelnes Haus zeigen kann. Also hat man ihren „Roma Armee“-Abend aus Berlin nach Wien geholt, als in jeder Hinsicht bunt zusammengewürfeltes Gastspiel des Maxim Gorki Theaters.
Yael Ronens Interesse ist bei den Randgruppen der Gesellschaft, den Juden, den Flüchtlingen, zuletzt den Gutmenschen. Und diesmal den Roma, denen sie wieder mit einem „originalen“ Ensemble (dazu gemixt eine Jüdin und ein türkischer Berliner oder Berliner Türke, wie man will) auf der Spur ist. Dabei sind die aus Wien stammenden Roma-Schwestern Simonida und Sandra Selimović die geistigen Initiatorinnen des Abends.


Lindy Larsson, Mihaela Dragan, Riha May Knight - Foto © Ute Langkafel / Maifoto

Wie immer bei Yael Ronin bekommt man eine krude Mischung von exzessiven Gegensätzen, manchmal so ernst unter die Haut gehend, daß die Intensität des Geschehens wie „sprengend“ wirkt, dann wieder gänzlich souverän ironisch (wenn die Jüdin mit den Roma um die Rolle des „Opfers“ wetteifert – diese Rolle hat nämlich auch etwas…) Die fünf Frauen und drei Männer erzählen, wie in den Ronen-Produktionen oft, ganz privat von sich selbst, wobei auch alle möglichen sexuellen Vorlieben zur Sprache kommen, aber sie erzählen auch aus der Unterdrückungsgeschichte der Roma – und wenn man es auch nicht nachprüfen kann (und auch keine alternative Meinung bekommt), will man es glauben: fünfhundertjährige „Sklaven“-Unterdrückung in Rumänien; mehr oder minder erzwungene Sterilisierungen (angeblich auch in Schweden); Menschen, die sich so sehr ducken, unkenntlich machen, nicht zu ihrem Romatum bekennen, daß sie der Familie verbieten, Romanes zu sprechen, um unbehelligt in der Gesellschaft unterzutauchen. Und die Geschichte, die eine blonde Romi aus England erzählt, daß dort die Bewohner eines kleinen Dorfes 2003 Roma angezündet hätten und man das Verbrechen unter den Tisch kehren wollte… und die Frau, die es öffentlich machte, wurde zur Unperson im Dorf, ihr Bild verbrannt.


v.l.:M. Atesci, Simonida Selimović, Sandra Selimović, M. Dragan, Lindy Larsson, Orit Nahmias - Foto © Ute Langkafel / Maifoto

Wenn dann in einer alptraumhaften Szene der „Traum“ von der Roma Armee (die immerhin im Titel steht) sich dermaßen gestaltet, daß die Unterdrückten aus Rache ihre Waffen auf alle richten, tut man sich als Zuseher schwer. Auch, wenn dann im Ende versöhnliche Töne geflötet werden, die Roma sich wünschen, in ihrer Identität zu leben und vorurteilslos anerkannt zu werden, dann trieft die Humanitätsbotschaft natürlich, so sehr man sie nachvollziehen kann.
Aber, wie gesagt, es ist eine Yael Ronen-Mischung, das heißt, es gibt auch eine witzige Szene, wo die Roma in jedem Comic-Helden ihresgleichen erkennen wollen (die Parodie ist gelungen) – ja, und vor allem die ausführlichen Musik-Szenen, die dem Abend streckenweise schwungvollen Musical- und Show Charakter verleihen, sind bunt, schrill und mitreißend. Welch großartige Musiker sie sind, wußte man ja schon, als man sie noch „Zigeuner“ nennen durfte…
 
Das ins Volkstheater gekommene Publikum (die Galerie hatte man gesperrt) strömte den Unterdrückten und Opfern, die sich – auf Deutsch und auch sehr viel Englisch – so tapfer und auch witzig wehrten, seine ganze Sympathie entgegen.
 
Renate Wagner