Spaß und Gänsehaut bei „Dracula“

Das Detmolder Landestheater mit einem „Grusical“

von Daniel Diekhans

…ein merkwürdiger Patient in einem Londoner Irrenhaus… - Foto: Landestheater Detmold © Jochen Quast

Spaß und Gänsehaut bei „Dracula“
 
Das Detmolder Landestheater mit einem „Grusical“
 
„Dracula“. Musical von Frank Wildhorn nach dem gleichnamigen Roman von Bram Stoker. Buch und Gesangstexte von Don Black und Christopher Hampton. Deutsche Übersetzung von Roman Hinze.
 
Regie: Lars Helmer - Musikalische Leitung: Mathias Mönius - Ausstattung: Kay Anthony - Kostüme: Torsten Rauer - Einstudierung Chor: Francesco Damiani
 
Besetzung: Julian Culemann (Jonathan Harker) - Lucius Wolter (Graf Dracula) - Angelina Biermann (Mina Murray) - Benjamin Savoie (Renfield) - Katrin Merkl (Lucy Westenra) - Udo Eickelmann (Professor van Helsing) - Andreas Post (Doktor Jack Seward) - Markus Gruber (Quincey Morris) - Olli Rasanen (Arthur Holmwood)
Bergische Symphoniker; Band (Leitung: Mathias Mönius); Chor und Statisterie der Detmolder Bühnen
 
„Dracula“ aus Detmold überzeugt in all seinen Facetten
 
Mit seinem 1897 veröffentlichten Roman „Dracula“ hat Bram Stoker einen modernen Mythos geschaffen, der immer wieder neu verfilmt und für die Bühne adaptiert wird. Zu den jüngsten Nachkommen des unsterblichen Vampirs gehört Frank Wildhorns Musical „Dracula“, das 2002 seine Uraufführung erlebte. Beißattacken, Bett- und Friedhofsszenen, Wolfsgeheul – an drastischen Effekten herrscht im Stück kein Mangel. Doch im „Grusical“ stecken auch eine stille, anrührende Liebesgeschichte und eine schwarze Komödie.
All diese Facetten bringt Lars Helmer in seiner Inszenierung für das Detmolder Landestheater zum Vorschein. Für eine alle Sinne packende Umsetzung sorgt ein spielfreudiges Ensemble, allen voran die drei Hauptdarsteller, die beim Gastspiel im Teo Otto Theater reichlich Szenenapplaus bekamen. Lucius Wolter ist ein ebenso charismatischer wie stimmgewaltiger Blutsauger. Wenn er auftritt, regiert der Rock – wuchtig in Szene gesetzt von den Bergischen Symphonikern und einer elektrisch verstärkten Band (Leitung: Mathias Mönius).


Van Helsing bricht zur Vampir-Jagd auf - Foto: Landestheater Detmold © Jochen Quast

Magisch vom Fürsten der Finsternis angezogen wird die junge Mina (Angelina Biermann), und Vampirjäger van Helsing hat Mühe, sie auf seine Seite zu ziehen. Minas Begleitmusik ist als sanfte, schlanke Ballade gestaltet. Außerdem bewährt sich Biermanns Sopran bei allen dramatischen Wendungen, die das gut zweistündige Stück bereithält. Udo Eickelmann verfügt ebenfalls über eine fein nuancierte Stimme. Sein van Helsing ist eine hochinteressante, weil ambivalente Figur. Zum einen zeigt er sich als komischer Kauz und erinnert so an den Professor Abronsius in Roman Polanskis „Tanz der Vampire“. Zum anderen entdeckt man ihm einen Fanatiker des „Guten“, dem im Kampf gegen Dracula (fast) jedes Mittel recht ist.
 
Der blutige Konflikt zwischen Menschen und Untoten findet auf einer von Kay Anthony sparsam ausgestatteten Bühne statt. Typische Requisiten (Draculas Sarg!) markieren die Ortswechsel zwischen Transsilvanien und London. Gewaltszenen werden entschärft, indem sie als stummes Schattenspiel auf der Leinwand erscheinen. Um schnelle Übergänge zu schaffen, werden wie früher in Stummfilmen erläuternde Texttafeln projiziert. Dazu passend kleidet Torsten Rauer Ensemble und Chor in Kostüme der zwanziger Jahre – von Knickerbocker-Hosen bis stilechten Abendkleidern ist alles vertreten.


Es ist angerichtet - Foto: Landestheater Detmold © Jochen Quast

Als Hommage an den Horrorklassiker „Nosferatu“ agieren Draculas Gespielinnen – Jeanne Seguin, Simone Krampe und Nathalie Parsa – mit totenbleichen Fratzen und fantastisch langen Scherenhänden. Als Minas Freundin Lucy glänzt Katrin Merkl, die in kürzester Zeit vom blonden Engel zur Vampirin mutiert. Benjamin Savoie gibt Draculas „Medium“, dem Irrenhaus-Patienten Renfield (…ein merkwürdiger Patient in einem Londoner Irrenhaus…), eine faszinierend unheimliche Gestalt. Der Rolle des Jonathan Harker verleiht Julian Culemann mit Stimme und Darstellung ein klares Profil. Überzeugend besetzt sind auch die kleinen Partien von Andreas Post, Markus Gruber und Olli Rasanen, die van Helsings Helfer verkörpern.
 
Daniel Diekhans